Nina Steinborn
Rehabilitatsionswissenschaftlerin und ACHSE-Beraterin für Betroffene und Angehörige
Menschen mit Seltenen Erkrankungen hatten durch die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren zusätzliche Herausforderungen zu bewältigen. Können Sie sagen, dass sich die Lage nun normalisiert hat?
Nein, für Menschen mit Seltenen Erkrankungen ist die pandemische Lage oftmals noch immer herausfordernd. Einige unter ihnen konnten z. B. keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen, deshalb meiden sie auch weiterhin Kontakte. Gleichzeitig fühlen sie sich mit ihren bestehenden Belastungen öffentlich nicht wahrgenommen. Erkrankte leiden aktuell zudem ganz besonders unter den steigenden Preisen für Lebensmittel und Energie, da sie wegen eingeschränkter Arbeitsfähigkeit ohnehin oft am Existenzminimum leben. Und auch unter geflüchteten Ukrainern sind Betroffene, die z. B. spezielle gesundheitsspezifische Bedarfe an Unterkünfte aufweisen oder sich in der hiesigen gesundheitsspezifischen Versorgungslandschaft nicht orientieren können.
Was sind die drängendsten Probleme, mit denen sich die betroffenen Menschen gerade an die Beratung der ACHSE wenden?
Die Betroffenen finden häufig keine oder unzureichende Informationen zu ihrer Seltenen Erkrankung. In diesem Fall sind unsere über 130 Mitgliedsorganisationen kompetente Ansprechpartner. Sie verfügen über krankheitsspezifische Expertise und können dabei unterstützen, an Ärzte zu verweisen, die sich speziell mit ihrer Erkrankung auskennen. Außerdem erhalten wir durchgehend viele Anfragen von Menschen mit unbekannter Diagnose. Bevor eine Seltene Erkrankung diagnostiziert wird, durchlaufen Betroffene oft einen jahrelangen Ärztemarathon. Die ratsuchenden Personen unterstützen wir mit Hilfe unseres großen Netzwerks dabei, an entsprechende Stellen zu gelangen.
Was muss geschehen, damit Betroffene besser unterstützt sind?
Der schon genannte Ärztemarathon entsteht dadurch, dass sich Ärzte nicht mit über 8.000 Seltenen Erkrankungen auskennen können. Hier bedarf es zugänglichen Patientenpfaden für nicht spezialisierte Ärzte, aus denen hervorgeht, welche Schritte im spezifischen Fall zu verfolgen sind und an wen sie verweisen müssen. Für Menschen mit Seltenen Erkrankungen ist das deutsche Gesundheits- und Sozialsystems zudem wie ein Dschungel, weil sich deren Leistungsbezug aus mehreren Sozialgesetzbüchern speist (SGB V, VIII, IX, XI und XII). Eine Lösung dafür wäre die Implementierung eines entsprechenden Case Managements oder auch sogenannter Patientenlotsen.
ACHSE-Beratung für Betroffene und Angehörige
Die krankheitsübergreifende Anlaufstelle der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen und deren Angehörige finden Sie hier.
Nina Steinborn erreichen Sie unter:
Tel. 030 – 33 00 708 -22
Mail: [email protected]