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Krankheitsbilder

„Wenn Kinder Nierensteine haben, sollten Ärzte hellhörig werden“

Grafik: Lightspring via Shutterstock

Die primäre Hyperoxalurie Typ 1 ist eine extrem seltene Erkrankung, die im Endstadium zu einer lebensbedrohlichen Nierenschwäche führen kann. Über die Erkrankung und Meilensteine in der Therapie spricht Prof. Dr. med. Felix Knauf im Interview.  

Prof. Dr. med. Felix Knauf

Leiter der AG Nephrologie und Internistische Intensivmedizin am CCR und Ansprechpartner für die Nierensteinsprechstunde am Center for Rare Kidney Diseases (CeRKiD) der Charité Berlin

Herr Prof. Knauf, Sie betreuen unter anderem Patienten, die an Kristall-assoziierten Nierenerkrankungen leiden. Was geschieht speziell bei der primären Hyperoxalurie Typ 1 (PH1) im Körper Betroffener?

Nierensteine sind eine extrem häufige Erkrankung und betreffen in der Mehrheit aller Fälle vor allem ältere Patienten. Zusätzlich zu diesem sehr häufigen Aufkommen von Nierensteinen bei den Älteren gibt es aber auch eine genetische Variante, bei der bereits junge Patienten betroffen sind. Dieser genetische Defekt führt zu einer vermehrten Bildung von Oxalat in der Leber. Oxalat ist ein Endprodukt des Stoffwechsels und wird, solange die Nierenfunktion ausreichend ist, fast komplett über den Urin ausgeschieden. Bei extrem hoher Oxalatausscheidung, wie bei der primären Hyperoxalurie üblich, ist der Urin immer für Calciumoxalat (CaOx) übersättigt, es bilden sich CaOx-Kristalle. Dies führt zu Ablagerungen dieser Kristalle im Nierengewebe (Nephrocalcinose) oder zu Steinbildung in den ableitenden Harnwegen. Beides löst eine chronische Entzündungs- und Vernarbungsreaktion und schließlich eine Nierenfunktionseinschränkung aus.

Wie äußert sich die Erkrankung und bei welchen Symptomkonstellationen sollten Ärzte hellhörig werden? 

Dadurch, dass bei der PH1 bereits junge Menschen, mitunter schon Babys und Kleinkinder, unter Nierensteinen leiden. Bei jedem jungen Patienten, der einen Nierenstein hat, sollten Ärzte hellhörig werden, insbesondere wenn es oxalathaltige Steine sind. Die primären Hyperoxalurien sind autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen. Das bedeutet, dass der Patient sowohl auf dem von der Mutter als auch auf dem vom Vater geerbten Chromosomanteil die gleiche Veränderung in einem spezifischen Gen geerbt haben muss, um erkrankt zu sein. Die Eltern sind dabei meist nicht von der Erkrankung betroffen. Unbehandelt führt die Erkrankung zur Niereninsuffizienz. Mit fortschreitender Nierenschwäche kommt es zur prognostisch sehr ungünstigen Auskristallisation von Calciumoxalat im gesamten Organismus (Oxalose). Symptome einer Nierenschädigung sind Schwäche, Antriebslosigkeit, Schmerzen und teilweise auch blutiger Urin.

Wie wurde die PH1 bisher therapiert?

Erstes Ziel ist die frühe Diagnose, um durch eine konsequente konservative Therapie eine Nierenschädigung zu minimieren. Bei terminaler Niereninsuffizienz ist eine intensivierte Dialyse nötig, um das hohe Risiko der systemischen Oxalose in diesem Stadium zu reduzieren. Zur Korrektur des Enzymdefekts bei PH1 war bisher eine kombinierte Leber-Nieren-Transplantation nötig. Das Problem bei der Transplantation ist die limitierte Verfügbarkeit der Organe, und bei der PH1 werden gleich zwei Organe benötigt. Hinzu kommen die Nebenwirkungen einer immunsuppressiven Therapie. Auch die Lebensdauer von transplantierten Organen ist limitiert. 

Wie sieht momentan der Behandlungsstandard aus?

Es hat sich zum Glück sehr viel getan, eine spezifische Therapie ist auf den Markt gekommen, die konkret an dem genetischen Defekt ansetzt. Man kann Enzymreaktionen, die diesem Defekt vorgeschaltet sind, ausschalten und dadurch speziell in den Metabolismus von Oxalat eingreifen. Der Wirkstoff senkt also den Oxalatspiegel im Urin bei Kindern und Erwachsenen. Dadurch setzt man an der Ursache der Nierensteinbildung an, wodurch ein schwerer Verlauf hoffentlich ausgeschlossen ist. Das ist ein wahrer Meilenstein in der Therapie. 

Sie möchten mehr erfahren?

Weitere Informationen finden Sie auf den Websites des CeRKiD und der AG Nephrologie und Internistische Intensivmedizin der Charité Berlin.

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