Die seltene erbliche Augenkrankheit Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) soll Studien zufolge erstmals ursächlich behandelt werden können. Welche Hoffnungen damit geweckt werden und wie der Alltag mit LHON ist, darüber spricht Ines.
Bei der Krankheit LHON handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit, die immer von der Mutter übertragen wird. Bei meinem Sohn Lars brach die Krankheit aus und wir erfuhren durch die Diagnosestellung zum erstem Mal davon, dass unsere Familie von LHON betroffen ist. Ob vielleicht auch weitere Mitglieder unserer Familie betroffen waren oder sind, wissen wir nicht. Die Angst ist groß, dass auch noch sein Bruder und ich erkranken.
Mein Sohn Lars (20) stand voll im Leben
Er absolvierte seine Ausbildung, fuhr leidenschaftlich gern Auto und genoss seine neue Freiheit als junger Erwachsener in vollen Zügen. Im September 2020 kam er nach Hause und erzählte von Sehproblemen. Auf dem einen Auge konnte er plötzlich nicht mehr richtig sehen. Das Sichtfeld war zu diesem Zeitpunkt bereits stark beeinträchtigt. Dieser Prozess geschah vollkommen schmerzfrei. Wir dachten uns alle nichts dabei, haben aber dennoch einen Termin beim Augenarzt gemacht, der am 1. Oktober stattfand. Als Lars danach nach Hause kam, war er ganz durcheinander, weil der Arzt ihm nahegelegt hatte, sofort in die Uniklinik zu gehen. Das haben wir dann auch getan. Ich bin immer noch davon ausgegangen, dass Lars vielleicht eine Brille braucht, war voller Optimismus. Als er dann auf der Neurologie aufgenommen wurde, schwand dieser schon ein bisschen – Verdachtsdiagnosen von MS bis hin zu Hirntumor standen im Raum. Es wurden dann sehr viele Untersuchungen gemacht. Nach einigen Tagen auf der Station verlor er sein Augenlicht fast komplett und war quasi von heute auf morgen stark auf Hilfe angewiesen, sein Sehvermögen hat sich stark verschlechtert. Das war eine sehr schwierige Zeit für ihn. Meinen Sohn so verzweifelt zu sehen, brach mir fast das Herz. Am 12. Oktober wurde er fast blind entlassen.
LHON stand schon als Verdacht auf dem Arztbrief.
Nach weiteren ambulanten Untersuchungen wurde die Diagnose dann auch gestellt, Lars bekam ein Medikament. Ich setzte mich kurz darauf mit Pro Retina und Experten aus dem Bereich in Kontakt und baute mir ein Netzwerk aus Freunden und Experten auf. So kam Lars auch zum LMU Klinikum München (Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik und Augenklinik), und als der humangenetische Befund feststand, bekamen wir zeitnah einen Termin bei der LMU. Dort, am 15.01.21, erfuhren wir auch das erste Mal von der neuen Möglichkeit der Gentherapie. Lars entschied sich sofort, an der Therapie teilzunehmen. Doch durch Corona verzögert sich die Zulassung bis heute. Ich kämpfte wie eine Löwin, um Lars diese Therapie zu ermöglichen. Ich schrieb Krankenhäuser überall auf der Welt, in England, der Schweiz, in den USA, Paris, und auch das Uniklinikum Bonn an, um herauszufinden, ob die Therapie dort bereits zugelassen ist. Leider ohne Erfolg. Lars hofft jeden Tag auf den Anruf, dass es losgehen kann. Es ist seine größte Hoffnung auf ein wieder sehendes uneingeschränktes Leben.
Ich kämpfe, wie auch oben bereits gesagt, wie eine Löwin, um Hilfe für Lars zu erhalten. Erst jetzt weiß ich, welche Stolpersteine Menschen mit Behinderung im Weg liegen und dass man wenig langfristige Begleitung und Hilfe erhält. Wir mussten uns tatsächlich jede Hilfe selbst erbitten. Auf dem Weg sind uns viele helfende Menschen begegnet, jedoch auch viel Ignoranz und Unverständnis. Letztendlich ist Lars derjenige, der tagtäglich mit großen Herausforderungen im Leben mit stark eingeschränktem Sichtfeld zurechtkommen muss und dafür wirklich wie ein Löwe kämpft, dass es auch bitte keiner sieht.
Mittlerweile sind so viele Monate vergangen, dass Lars gelernt hat, mit seinem Handicap zu leben. Er macht gerade sein Abitur auf der Carl-Strehl-Schule. Ob er danach studiert oder wir einen Weg finden, dass er seine Ausbildung fortsetzen kann, wissen wir noch nicht. Alles Step by Step. Ich bin einfach unglaublich stolz auf meinen Sohn und wünsche ihm so sehr, dass sein allergrößter Wunsch, die Welt dank der Gentherapie wieder uneingeschränkt sehend zu erleben, wahr wird.