Katrin Müller lebt mit der seltenen Erkrankung Narkolepsie, die umgangssprachlich als Schlafkrankheit bezeichnet wird. Was das für ihren Alltag bedeutet und warum sie trotz des ständigen Schlafdrangs nie wirklich erholt ist, erzählt sie uns im Interview.
Frau Müller, Sie leiten die Regionalgruppe Württemberg des Narkolepsie-Netzwerkes und sind selbst von der Erkrankung betroffen. Wie lange hat es bei Ihnen gedauert, bis die Krankheit diagnostiziert wurde?
In meinem Fall sehr lange, nämlich über 20 Jahre. Ich hatte die ersten Symptome ungefähr im Alter von 15 Jahren: Damals bin ich im Sportunterricht nach einem Erfolgserlebnis einfach umgekippt. Das war dann meine erste Kataplexie, ein plötzlich auftretender Verlust der Muskelanspannung. Damals wurde das aber nicht ernst genommen, ich wurde prompt als Simulantin abgestempelt. Jetzt, wo ich weiß, dass solche Kataplexien ganz typisch für Narkolepsie sind, war das damals ein ganz deutlicher Hinweis auf die Erkrankung. Schnell kam die ständige Müdigkeit hinzu, die mit starken Problemen beim Nachtschlaf einherging. Die ersten Schlaflähmungen und Halluzinationen kamen, die mich bis heute stark begleiten. Dadurch kam eine große Angst vor dem Schlafen dazu. Das ist ein regelrechter Teufelskreis, weil man dann am nächsten Tag überhaupt nicht ausgeschlafen ist.
2009 hatte ich dann die Schweinegrippe, danach hatte ich das Gefühl, gar nicht mehr richtig aufwachen zu können. Ich bin von Facharzt zu Facharzt gerannt, weil ich wusste: Diese extreme Müdigkeit ist nicht normal. 2015 wurde ich dann in ein Schlaflabor überwiesen, aber auch dort wusste man nicht, wie Narkolepsie diagnostiziert wird. Schlussendlich wurde ich dann in ein anderes Schlaflabor überwiesen, wo dann endlich die Diagnose gestellt wurde.
Was waren bis zur Diagnose die größten Herausforderungen, mit denen Sie durch die Erkrankung konfrontiert waren?
Besonders in der Schulzeit bis zum Abitur war es nicht leicht für mich, weil ich häufig gehen musste, da ich so müde war und einfach Schlaf brauchte. Auf das soziale Leben wirkt sich das auch aus, denn wenn man ständig schläfrig ist, unternimmt man tagsüber auch nichts mit Freunden. Man sagt viele Sachen ab, weil man es einfach nicht schafft.
Was hat sich durch die Diagnose und Therapie in Ihrem Alltag verändert?
Als ich das erste Medikament bekam, habe ich mich drei Tage lang gefühlt, als könnte ich jetzt Bäume ausreißen. Die Wirkung ließ aber recht schnell nach, die Dosis musste gesteigert werden. Es wurden dann noch verschiedene andere Medikamente probiert, die dann aber wieder Nebenwirkungen mit sich brachten. Was sich aber definitiv zum Positiven verändert hat, ist, dass man eine gewisse Planbarkeit bekommt. Ich kann also überlegen, wann ich wach sein muss, wenn Termine oder Verpflichtungen anstehen. Aber ein normales Leben, wie es ein gesunder Mensch führen kann, ist für mich trotzdem nicht möglich. Denn wenn ich meine „wache Zeit“ dann für meine Pflichten eingesetzt habe, muss ich danach erst mal schlafen.
Umgangssprachlich wird Narkolepsie auch als „Schlafkrankheit“ bezeichnet. Paradoxerweise ist ihr Schlaf aber alles andere als erholsam. Erklären Sie uns, warum?
Ich habe einen sehr hohen Anteil an REM-Schlaf und träume fast während der ganzen Schlafenszeit. Das führt dazu, dass ich selten in den Tiefschlaf finde, weshalb mein Körper sich einfach nicht erholen kann. Dazu kommen die Schlaflähmungen: Es fühlt sich an, als sei man an das Bett gefesselt. Weil aber auch das Bewusstsein nicht vollkommen wach ist, kommt es zu Halluzinationen: Ich habe oft das Gefühl, es würde sich mir jemand nähern, oder ich höre Wassermassen auf mich zu rauschen.
Sie sprechen mit uns sehr offen über Ihre Erkrankung. Würden Sie auch anderen Betroffenen zu Transparenz bezüglich der Krankheit raten?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich sehr vorsichtig bin, in welche Richtung ich Offenheit zeige. Ich selbst muss mich nicht mit Kollegen oder Chefs auseinandersetzen, weil ich nie arbeiten gehen konnte. Aber ich kenne auch einige Patienten, die befürchten, Nachteile hinnehmen zu müssen, wenn sie die Krankheit offen auf Arbeit kommunizieren. Da wird dann heimlich geschlafen, weil die Akzeptanz nicht da ist. Allerdings kann auch keine Akzeptanz wachsen, wenn nicht offen über die Erkrankung gesprochen wird.
Was wünschen Sie sich, besonders als Regionalgruppenleiterin, bezüglich der Versorgung von Menschen mit Narkolepsie?
Diese Frage habe ich tatsächlich auch schon in unserer Regionalgruppe gestellt. Das Ergebnis war, dass wir uns sehr wünschen, dass Ärzte, besonders Hausärzte, aber auch Neurologen, wesentlich besser über das Krankheitsbild und die Behandlungsmöglichkeiten Bescheid wissen. Aber damit das passiert, müssen auch Ärzte besser und leichter an diese Informationen kommen.
Ein weiterer Punkt ist die Möglichkeit, im Ernstfall schnell einen Termin zu bekommen. Eine gute Vernetzung der Ärzte untereinander wäre daher sehr wünschenswert, damit in solchen Fällen direkt der nächstgelegene Experte genannt wird, an den man sich dann wenden kann. Kein einfach zu erfüllender Wunsch, das ist mir durchaus bewusst.
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Weitere Informationen finden Sie unter www.narkolepsie-netzwerk.de