Nora T. leidet unter Narkolepsie. Wie sie ihren Alltag meistert, erzählt sie im Interview.
Narkolepsie ist eine Erkrankung, die sich nicht leicht feststellen lässt. Wann und wie wurde bei Ihnen die Diagnose gestellt?
Ich war circa 13 Jahre alt, als Narkolepsie bei mir diagnostiziert wurde. Mir war schon vorher aufgefallen, dass ich beim Lachen öfter das Gefühl hatte, meine Muskeln würden erschlaffen. Meine Augenlider fielen dann ein bisschen zu, meine Finger fingen an zu zittern. Damals hielt ich diese Erscheinungen für unwichtig, da der Muskeltonusverlust sich zu Beginn nur leicht andeutete.
Wir entschieden uns damals, zum Kinderarzt zu gehen, als ich von einer Sekunde auf die andere beim Lachen zu Hause einfach umkippte und mich nicht bewegen konnte.
Der Kinderarzt schaute mich nur verwirrt an, als ich sagte: „Immer, wenn ich lache, kippe ich um. Ich kann mich nicht bewegen, aber bekomme alles mit.“ Daraufhin wurde ich direkt stationär im Krankenhaus aufgenommen und wurde auf alles Mögliche untersucht, allerdings alles ohne Ergebnis. Ich war scheinbar kerngesund. Das Einzige, was neben dem Umkippen noch auffiel, war eine extreme Tagesschläfrigkeit. Sobald ich von der Schule nach Hause kam, legte ich mich erst mal schlafen.
Erst im Krankenhaus wurde ein Zusammenhang zwischen der Tagesschläfrigkeit und den Kataplexien hergestellt. Wir hatten Glück, dass mein mich damals betreuender Arzt schon einmal eine Narkolepsiepatientin hatte und ihm diese merkwürdige Kombination aus Symptomen bekannt vorkam. Zusätzlich stellte sich heraus, dass mein Nachtschlaf stark gestört war. Damit wies ich die drei häufigsten Symptome von Narkolepsie auf: extreme Tagesschläfrigkeit, Kataplexien (Umkippen bei starken Emotionen, in meinem Fall beim Lachen) und einen stark gestörten Nachtschlaf. Die
Diagnose wurde dann durch eine spezielle Blutuntersuchung weiter bestätigt.
Was hat sich ab dem Zeitpunkt für Sie verändert? War es in einem gewissen Maße auch eine Erleichterung, zu wissen, was nicht stimmt?
Natürlich war es eine Erleichterung, zu wissen, dass ich keinen Tumor oder Herzfehler hatte. Andererseits stand nun diese andere Diagnose im Raum. Es war aber auf jeden Fall eine große Entlastung, zu hören, dass die Krankheit zwar nicht heilbar, aber trotz der Symptome nicht lebensgefährlich war. Ich denke, dass die Diagnose im ersten Moment für meine Familie schlimmer war als für mich selbst. Glücklicherweise kam es aber nie zu Unfällen oder Ähnlichem, weil ich selbst wusste, was ich kann und was nicht.
Bezüglich der Tagesschläfrigkeit bekam ich Medikamente, die mir helfen sollten, tagsüber länger wach zu bleiben. Es stellte sich eine leichte Verbesserung ein, aber die Tagesschläfrigkeit hielt nach wie vor an. Ich schlief nachts nicht durch, wachte bis zu 20-mal auf und war dementsprechend morgens auch nicht ausgeschlafen. Wären meine Eltern nicht gewesen, wäre ich vermutlich gar nicht erst aufgestanden. Ich schlief in der Schule ein, das war mir oft peinlich. Zwar sagte ich den Lehrern Bescheid, damit sie schon mal wussten, dass es eine Krankheit ist und kein Desinteresse am Unterricht. Trotzdem verpasste ich natürlich Teile des Schulstoffs, die ich selbstständig nachholen musste. Zum Glück stellte sich heraus, dass ich, wenn ich aufgeregt war und unter Adrenalin stand, nicht einschlief. So konnte ich zum Beispiel die Abiturklausuren alle schreiben, ohne einzuschlafen. Das hat sich bis heute nicht verändert.
Ich lernte immer mehr, mit der Tagesschläfrigkeit umzugehen. Mit der richtigen Balance von Selbstdisziplin und Lockerheit konnte ich meinen Alltag weitgehend normal weiterführen.
Wie sieht Ihr Alltag aus und welche Rolle spielt hier die Therapie der Erkrankung?
Ich bin jetzt Anfang 20 und mache bald meinen Bachelor. Nach dem Abitur bin ich direkt ausgezogen. Es war für mich von Anfang an klar, dass ich allein und selbständig leben will. Die Kataplexien sind im Laufe der Pubertät vollkommen zurückgegangen. Während ich zur Zeit meiner Diagnose mehrmals täglich zuhause umkippte, passiert es jetzt nur noch äußerst selten. Leider kann man dasselbe nicht für die starke Tagesschläfrigkeit und den gestörten Nachtschlaf sagen. Natürlich stört es mich noch und es ist unangenehm, aber ich habe mich damit abgefunden, dass ich daran nun mal nichts ändern kann. Außerdem sind an der Uni so viele Leute, dass es meist überhaupt nicht auffällt, und in kleinen Kursen sage ich den Dozenten meist vorher Bescheid.
Später im Studium habe ich dann angefangen, nebenbei als studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl meiner Universität zu arbeiten. Es war für mich eine große Erleichterung, dass ich neben meinem Studium auch gleichzeitig einen Job stemmen konnte. Im Laufe meines Studiums habe ich außerdem im Ausland studiert. Dort lief auch alles problemfrei. Das hat mir gezeigt, dass mir für meine Zukunft alle Möglichkeiten offenstehen.
Die Therapie verläuft bei mir relativ unspektakulär. Da es keine Heilung oder andere Therapiemöglichkeiten gibt, kann ich nicht mehr tun, als die mir verschriebenen Medikamente zu nehmen und in regelmäßigen Abständen zu Kontrolluntersuchungsterminen zu gehen sowie selbst darauf zu achten, wie und ob sich die Symptome im Laufe der Zeit verändern. Ich weiß allerdings auch, dass es mich nicht so schlimm getroffen hat wie andere Narkolepsiepatienten. Die Symptome sind bei jedem individuell stark ausgeprägt. Ich habe Leute kennengelernt, die arbeitsunfähig sind oder an extremen Kataplexien leiden und deshalb im Rollstuhl sitzen.
Wissen Ihre Freunde und Bekannten über Ihre Erkrankung Bescheid? Wenn ja, wie gehen sie damit um?
Als meine Krankheit damals diagnostiziert wurde, habe ich es bis auf meinen engsten Freunden niemandem erzählt. Lehrern habe ich es nur erzählt, wenn es absolut sein musste. Das hat sich später geändert. Ich wurde immer lockerer, heute gehe ich in meinem Bekanntenkreis sehr offen damit um. Da ich bis auf die Tagesschläfrigkeit und den gestörten Nachtschlaf keine weiteren Symptome mehr zeige, ist es für viele normal. Sie wissen, dass es immer mal sein kann, dass ich neben ihnen einschlafe, und haben kein Problem damit.
Viele sind sehr interessiert und gingen sehr sensibel damit um und haben sich dementsprechend auch darüber informiert. Ich merke auch, dass die Krankheit im Verlauf der letzten Jahre einen größeren Bekanntheitsgrad erlangt hat. Es kommt öfter vor, dass Leute von Narkolepsie gehört haben. Das finde ich besonders gut, weil Narkolepsie eine unsichtbare Krankheit ist. Je mehr Leute davon wissen, desto mehr wird eine schlafende Person rücksichtsvoll behandelt und nicht direkt abgestempelt.