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Krankheitsbilder

Darf es noch etwas mehr Calcium sein?

Foto: Kateryna Kon via Shutterstock

Priv.-Doz. Dr. med. Dorothee Maria Baur

Endokrinologin im Endokrinologikum Ulm

Wenn auch nach mehr als einem Jahr nach einer Schilddrüsenoperation der Calciumspiegel nicht im Normbereich liegt

Eine Schilddrüsenoperation gehört zu den häufigen Eingriffen in Deutschland, der überwiegende Teil der Betroffenen sind dabei Frauen. Wurde die Schilddrüse dabei komplett entfernt, dann wurden die Nebenschilddrüsen meist unabsichtlich mit entfernt. Da die linsengroßen Organe aber für die Produktion eines wichtigen Hormons, des Parathormons, zuständig sind, kann die Folge ihrer Entfernung eine seltene chronische Erkrankung mit dem Namen Hypoparathyreoidismus sein. Die Beschwerden können das Leben Betroffener schwer beeinträchtigen. Wir sprachen mit der Endokrinologin Priv.-Doz. Dr. med. Dorothee Maria Baur über Ursachen und Folgen fehlender Nebenschilddrüsen.

Frau Dr. Baur, Sie behandeln unter anderem auch Patienten, die an einem – Achtung, schwieriges Wort – chronischen Hypoparathyreoidismus (kurz HypoPT) leiden. Wie entsteht diese Erkrankung?

Am häufigsten entsteht diese Erkrankung als versehentliche Folge einer Schilddrüsenoperation mit Entfernung der Nebenschilddrüsen. Damit kann der Körper kein Parathormon mehr herstellen. Ist das Parathormon mehr als sechs Monate nach der Operation erniedrigt, dann spricht man von einem chronischen Hypoparathyreoidismus. Da in Deutschland mehr Frauen als Männer an der Schilddrüse operiert werden, leiden auch mehr Frauen an dieser Form des chronischen HypoPT. Andere seltenere Ursachen sind Autoimmunerkrankungen, angeborene Syndrome und zum Beispiel die Entstehung eines HypoPT nach einer Bestrahlung am Hals oder anderweitigen Operation am Hals.

Was passiert im Körper der Betroffenen, wenn die Nebenschilddrüsen notwendigerweise oder versehentlich bei der Schilddrüsen-OP mit entfernt wurden?

Fehlt dem Körper Parathormon, dann kann die Niere kein aktives Vitamin D3 mehr herstellen. Somit kann der Körper nicht mehr genügend Calcium resorbieren und zur Verfügung stellen. Der niedrige Calciumspiegel führt in vielen Organsystemen zu Symptomen. Sehr häufig sind Muskelkrämpfe, Kribbeln in den Extremitäten und Spasmen (Tetanien). Das kann auch andere Muskelsysteme betreffen wie zum Beispiel im Darm oder in der Lunge (sogenannte Bronchospasmen, die sehr unangenehm sind). Dazu kommen Müdigkeit, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen (sogenannter „Brain Fog“). Zudem kommt es häufiger zu Ängstlichkeit und Depressionen und somit zu starken Einschränkungen im sozialen Leben der betroffenen Patienten.

Wie wird der HypoPT derzeit therapiert?

Das wichtigste Ziel ist es, den Calciumspiegel anzuheben und möglichst im unteren Normbereich konstant zu halten. Dazu muss dem Körper das aktive Vitamin D3 zugeführt werden, da der Körper es aufgrund des Parathormonmangels nicht mehr selbst herstellen kann. Zudem wird Calcium gegeben, in verschiedenen oralen Applikationsformen, zum Beispiel als Brausetablette oder in Tablettenform, oder bei sehr schweren Tetanien und Beschwerden auch als intravenöse Gabe. Zudem hilft die Gabe von Magnesium und sogenanntem inaktivem Vitamin D3. Erwachsene Patienten mit chronischem HypoPT, die trotz maximaler konservativer Therapie nicht ausreichend behandelt werden können und bestimmte Kriterien aufgrund der Schwere der Erkrankung erfüllen, können glücklicherweise seit wenigen Jahren auch eine Hormonersatztherapie mit Parathormon bekommen. Dieses Medikament

müssen sich Betroffene dann einmal täglich spritzen. Das führt oft zu einer Verbesserung der Einstellung und damit Linderung der Symptomatik. In laufenden Studien wird evaluiert, ob diese Therapie auch die Entstehung von Langzeitkomplikationen der konservativen Therapie verhindern kann. Gezeigt werden konnten bereits die positiven Effekte auf die Lebensqualität und Reduktion der Einnahme von Vitamin D und Calcium unter Hormonersatztherapie. Die Möglichkeit, Parathormon als Hormonersatztherapie einzusetzen, stimmt mich als Endokrinologin sehr hoffnungsfroh, da wir Hormonersatztherapien ja für viele Organsysteme – wie zum Beispiel Schilddrüse, Nebenniere, weibliche und männliche Hormone, und natürlich auch das Insulin bei Diabetes mellitus – schon lange kennen.

Warum kann man denn nicht einfach mehr Calcium nehmen?

Leider ist es nicht möglich, einfach nur mehr und mehr Calcium einzunehmen. Erstens wird die orale Gabe von Calcium oft schlecht vertragen und führt zu gastrointestinalen Symptomen. Zweitens hat die Therapie mit Calcium und aktivem Vitamin D weitere Folgen, wie zum Beispiel den Anstieg des Phosphatspiegels, sodass es durch Entstehung von Calciumphosphatkristallen zu Ablagerungen in den Organsystemen kommen kann, beispielsweise in den Nieren. Quälend kann somit die Entstehung von Nierensteinen sein, und auch die Verschlechterung der Nierenfunktion über die Zeit der Behandlung. Auch im Gehirn können sich Ablagerungen bilden, dies nennt man Morbus Fahr.

Welche Blutwerte sollten Patientinnen und Patienten von ihrem Arzt bestimmen lassen, um festzustellen, ob es sich um einen chronischen Hypoparathyreoidismus handelt, und was sind Normbereiche?

Die wichtigste Blutentnahme ist sicherlich die Bestimmung von albumin-kontrolliertem Calciumspiegel, am besten direkt postoperativ und im weiteren Verlauf, sowie die Bestimmung von Parathormon, anorganischem Phosphat, Magnesium sowie 25-OH-Vitamin D3. Idealerweise sollte unter Therapie auch die Bestimmung von Calcium im 24h-Urin erfolgen, um die Belastung der Nieren zu überprüfen. Bei der Bestimmung von Elektrolyten und Hormonspiegel müssen die präanalytischen Empfehlungen beachtet werden, dies ist von Labor zu Labor unterschiedlich. Zeigt sich ein unklar erniedrigter Calciumspiegel, ist in jedem Fall eine weitere Abklärung sinnvoll. In Zusammenhang mit einer stattgefundenen Schilddrüsenoperation ist der Verdacht auf einen Hypoparathyreoidismus naheliegend.

Sollten Patienten mit einer chronischen Erkrankung denn in Zeiten von Corona überhaupt zum Arzt gehen?

Auf jeden Fall ist eine regelmäßige, persönliche Vorstellung aller Patienten mit chronischen Erkrankungen sinnvoll. Es muss ein klares Hygienekonzept in der jeweiligen Klinik / und Praxis gelten, an das sich sowohl das gesamte Personal als auch die Patienten halten müssen. Im Zweifelsfall kann die Möglichkeit virtueller Sprechstunden genutzt werden. Gerade bei einer Erkrankung wie dem chronischen HypoPT muss allerdings oft eine Laboranalyse zur Überprüfung der Einstellung erfolgen sowie in Abständen auch eine sonografische Kontrolle zum Beispiel des Halses (bei Zustand nach Schilddrüsen/Hals- Operation) oder eine Sonografie der Nierenregionen durchgeführt werden. Somit ist eine persönliche Vorstellung unabdingbar. Werden Kontrolltermine nicht wahrgenommen, besteht die Gefahr einer schleichenden Verschlechterung der Einstellung. Außerdem wird gegebenenfalls das Erkennen von Folgeschäden verpasst. Dies ist eine große Gefahr für alle Patienten mit chronischen Erkrankungen in der aktuellen Zeit.

Hypopara-Anlaufstellen in Deutschland

Hypopara-Anlaufstellen in Deutschland
Aachen
Universitätsklinikum Aachen
PD Dr. med. Wolfram Karges
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Telefon: +49 241 80 80 867
E-Mail: [email protected]

Berlin

Charité – Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. med. Knut Mai
Lindenberger Weg 80
13125 Berlin
Telefon: +49 30 45 05 14 252

Praxis an der Kaisereiche
Prof. Dr. med. Henrik Biering
Wilhelm-Hauff-Str. 21
12159 Berlin Telefon: +49 30 859 536 0
E-Mail: [email protected]
Bonn
Universitätsklinikum Bonn
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
Schilddrüsenzentrum
Dr. med. Barbara Schmidt-Kreppel
Venusberg-Campus 1
Gebäude 21
53127 Bonn
Tel.: 0228 287-16171
Dresden
Universitätsklinikum Dresden
Prof. Dr. Lorenz C. Hofbauer
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Telefon: +49 351 45 83 173
Düsseldorf
Universitätsklinikum Düsseldorf
Dr. med. Stephanie Allelein
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Telefon: +49 211 81 04860
E-Mail: [email protected]
Frankfurt
Endokrinologikum Frankfurt am Main
Prof. Dr. med. W. Alexander Mann
Stresemannallee 1/3
60596 Frankfurt
Telefon: +4969 69 59 79-0
E-Mail: [email protected]

Freiburg
Universitätsklinikum Freiburg
Klinik für Innere Medizin II
Abteilung Endokrinologie und Diabetologie
Prof. Dr. med. Jochen Seufert, FRCPE
Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg
Tel.: 0761 270-35120
Mail: [email protected]

Göttingen
Endokrinologikum Göttingen
Prof. Dr. med. Heide Siggelkow
Von-Siebold-Straße 3 · 37075 Göttingen
Telefon: +49 551 63 37 460
E-Mail: [email protected]
Hamburg
ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie
Prof. Dr. Stephan Petersenn
Erik-Blumenfeld-Platz 27A
22587 Hamburg
Telefon: +49 40 40 18 66 12
E-Mail: [email protected]

amedes Medizinisches Versorgungszentrum Hamburg GmbH
Dr. med. Catharina Bullmann
Mönckebergstraße 10
20095 Hamburg
Tel.: 0800 58 91 688
Mail: [email protected]
Hannover
Medizinische Hochschule Hannover
Dr. med. Christoph Terkamp
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
Telefon: +49 511 53 24 148
E-Mail: [email protected]
Leipzig
Universitätsklinikum Leipzig
PD Dr. med. Anke Tönjes
Liebigstraße 20
04103 Leipzig
Telefon: +49 341 97 13 380
E-Mail: [email protected]
Lübeck
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Dr. Sebastian Schmid
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Telefon: +49 451 500-44195
E-Mail: [email protected]
München
Medicover München
Prof. Dr. med. Günter Stalla
Orleansplatz 3
81667 München
Telefon: +49 89 90 42 00 560
E-Mail: [email protected]

Klinikum der Universität München Medizinische Klinik und Poliklinik IV Prof. Dr. med. Ralf Schmidmaier
Ziemssenstr. 1
80336 München
Telefon: +49 89 44 00 52 111
E-Mail: [email protected]
Neu-Ulm
Medicover Neu-Ulm
PD Dr. med. Burkhard Manfras
Marienstraße 1
89231 Neu-Ulm
Telefon: +49 731 14 06 380
E-Mail: [email protected]
Oldenburg
Medicover Oldenburg
Gabriele Wenzel
Elisenstraße 12
26122 Oldenburg
Telefon: +49 441 21 84 60
E-Mail: [email protected]
Osnabrück
Medicover Osnabrück MVZ
Dr. med. Beatrix Jacobs
Möserstraße 4a
49074 Osnabrück
Tel: 0541 – 349 660
Mail: [email protected]

Saarbrücken
Medicover Saarbrücken
Dr. med. Bettina Stamm
Faktoreistraße 4
66111 Saarbrücken
Telefon: +49 681 99 19 480
E-Mail: [email protected]

Stuttgart
Diakonie-Klinikum Stuttgart
Prof. Dr. med. Andreas Zielke
Rosenbergstraße 38
70176 Stuttgart
Telefon: +49 711 991-3322
E-Mail: [email protected]

Endokrinologikum Stuttgart
Dr. (M.Sc.) Damianos Tsitlakidis und Dr. (M.Sc.) Apostolia Lamprinou
Leuschnerstraße 12
70174 Stuttgart
Tel.: 0711 26 34 56-230
Mail: [email protected]
Ulm
Endokrinologie Zentrum Ulm
Dr. med. Gwendolin Etzrodt-Walter
Weinbergweg 41
89075 Ulm
Telefon: +49 731 93 40 97 90
E-Mail: [email protected]

Endokrinologikum Ulm
Priv.-Doz. Dr. med. Dorothee Maria Baur
Keltergasse 1
89073 Ulm
Tel.: 0731 93 80 88-0
Mail: [email protected]
Würzburg
Universitätsklinikum Würzburg
Prof. Dr. med. Stefanie Hahner
Josef-Schneider-Straße 2
97080 Würzburg
Telefon: +49 931 20 13 92 00

ANHALTENDE BESCHWERDEN NACH SCHILDDRÜSEN-OP?

Bei den folgenden Symptomen sollten Sie unbedingt Ihren Arzt ansprechen:

– Ermüdungserscheinungen
– Ängstlichkeit und innere Unruhe
– Depressive Verstimmungen
– Muskelschmerzen/Krämpfe
– „Pfötchenstellung“ der Hände durch Verkrampfungen
– Gelenk- und Knochenschmerzen
– Kribbeln/Taubheit in Händen/Füßen

Weitere Informationen finden sie auf der Website des Netzwerks Hypopara e.V. unter www.hypopara.de

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