Carolina ist betroffen von einer nicht-dystrophen Myotonie. Um andere Betroffene zu unterstützen, engagiert sie sich im Patientenverein “Mensch & Myotonie e. V.“
Nicht-dystrophe Myotonien sind seltene, genetisch bedingte neuromuskuläre Erkrankungen. Das charakteristische Merkmal: Betroffene sind aufgrund der Krankheit nicht fähig, die der körperlichen Bewegung dienenden Muskeln (Skelettmuskulatur) nach der Kontraktion sofort wieder zu entspannen. Das kann die Lebensqualität Betroffener stark beeinträchtigen und sogar lebensgefährlich werden.
Caro, du bist betroffen von einer nicht-dystrophen Myotonie, kurz NDM. Wann hast du gemerkt, dass etwas gesundheitlich nicht stimmt, und welche Beschwerden hattest du?
Bei mir war früh zu sehen, dass etwas nicht stimmt. Ich fing erst mit zwei Jahren an zu laufen, humpelte, wenn ich nach längerem Sitzen wieder aufstand, und lief insgesamt oft steif. Die Myotonie ist zwar eine Erkrankung, die die Muskulatur des ganzen Körpers betrifft, aber bei mir waren die Symptome in den Beinen am offensichtlichsten. Meine Eltern gingen von Kinderarzt zu Kinderarzt, immer hieß es, ich sei einfach zu faul oder das sei normal und würde sich mit dem Wachstum ändern. Es folgte die Fehldiagnose, es sei etwas mit meiner Hüfte. Ich erhielt mehrere Jahre Physiotherapie. Erst als ich neun war, äußerte ein Arzt Zweifel an der Hüft-These, als er meine Röntgenbilder sah. Es folgten weitere Untersuchungen und Tests und schließlich kam die Diagnose: NDM.
Durch die genetische Mutation kann ich meine Muskeln problemlos anspannen, aber nicht sofort entspannen. Ich bin auch sehr wetterempfindlich, bei Wärme geht es mir viel besser als bei Kälte. Die Krankheit kann sich natürlich auch auf die Psyche auswirken – wenn es mir gut geht, meine ich, ich könnte einen Marathon rennen, wenn es mir schlecht geht, geht fast nichts.
Wenn es mir gut geht, meine ich, ich könnte einen Marathon rennen, wenn es mir schlecht geht, geht fast nichts.
Was waren/sind die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Erkrankung für dich?
Während ich noch im Wachstum war, wurde mir gesagt, dass die Krankheit entweder besser oder schlechter werden kann. Ich kenne mein Leben nicht ohne die Erkrankung, ich weiß nicht, wie es anders ist. Natürlich ist sie immer wieder anstrengend für mich, psychisch und physisch, auch weil sich die Krankheit bei mir verschlechtert hat. Als ich Kind war, spürte ich die NDM nur in den Beinen, im Wachstum wurden auch meine Hände langsam steif, dann meine Arme, mein Rücken und auch die Zunge. Bevor ich die Medikamente nahm, musste ich mich immer aufwärmen, wenn ich z. B. telefonieren wollte. An diese Verschlechterungen und Veränderungen musste ich mich gewöhnen, aber insgesamt habe ich es schnell und gut gemeistert. Zum Glück hatte ich auch die Unterstützung meiner Familie. Wesentlich schwieriger war und ist für mich der Umgang mit gesunden Menschen. Es ist nicht leicht, Außenstehenden zu vermitteln, wie sich diese Myotonie äußert. Ich gehe noch zur Schule, derzeit in die 11. Klasse. In diesem Jahr wurde vereinbart, dass ich in Sport keine Noten bekomme, mich aber trotzdem beteilige. Ich habe die Schule gewechselt, weil ich in der vorherigen stark gemobbt wurde.
Ich habe meinen neuen Klassenkameraden nichts von meiner Krankheit erzählt, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass mein Umfeld nicht versteht, was Myotonie ist. Mir würde es sehr weiterhelfen und mich auch entspannen, dass andere respektieren, wenn ich sage, dass ich etwas nicht machen kann, auch wenn ich fünf Minuten später losrenne, als wäre nichts. Das ist für Außenstehende schwer nachvollziehbar, aber so ist die Myotonie. Wenn ich aufgewärmt bin, kann ich einiges, was sonst nicht geht.
Wie wird deine Erkrankung behandelt und wie wirkt sich das auf deinen Alltag bzw. deine Lebensqualität aus?
Zurzeit bekomme ich Medikamente und werde durch ein Krankenhaus in Rom betreut. Hier in Deutschland hatte ich persönlich leider in der Vergangenheit nicht sehr viel Glück mit den Ärzten. Meine Mutter ist Italienerin, in Italien ging es sehr viel schneller. Ich nehme Medikamente, seitdem ich zwölf bin, und sie haben meine Lebensqualität stark verbessert. Es gibt bessere und schlechtere Tage, aber ich habe keine Schmerzen mehr.
Ist es für dich wichtig, dich mit anderen Betroffenen über ihre Erfahrungen mit der Erkrankung auszutauschen?
Ich bin Mitglied im Verein „Mensch & Myotonie“. Es war eine lebensverändernde Erfahrung für mich, anderen Menschen zu begegnen, die das gleiche Schicksal haben wie ich. Wenn man sein Leben lang behandelt wurde, als würde man sich die Symptome ausdenken, fühlt es sich wunderbar an, Menschen zu treffen, die dasselbe durchmachen. Auch wenn die Erkrankung bei jedem anders ist, erzählen alle über ihre Erfahrungen recht ähnliche Geschichten und können gute Tipps geben.
Wenn man sein Leben lang behandelt wurde, als würde man sich die Symptome ausdenken, fühlt es sich wunderbar an, Menschen zu treffen, die dasselbe durchmachen.
Informationen zur Patientenorganisation „Mensch & Myotonie gem. e. V.“
Eine Mitgliedschaft in der ehrenamtlich von einer Myotonie -Betroffenen geführten Patientenorganisation „Mensch & Myotonie gem. e. V.“ ist komplett kostenlos. Jeder zusätzliche Beitritt stärkt uns, unsere Interessen in der Öffentlichkeit und bei Institutionen wahrzunehmen. Zusätzlich zu den „NDM“ engagieren wir uns auch für Betroffene von „Periodischen Paralysen“ sowie von „Neuromyotonien“. Machen Sie mit – in Ihrem und unserem Interesse!
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.menschundmyotonie.de
Kontakt:
Mensch & Myotonie e. V.
Postfach 16 03 30
44333 Dortmund
Vorsitzender: Volker Kowalski
E-Mail: [email protected]
Tel.: 0231-803290 (ab 12 Uhr)