Skip to main content
Home » Krankheitsbilder » Morbus Pompe: Eine verzögerte Diagnose kann schwerwiegende Folgen haben
Krankheitsbilder

Morbus Pompe: Eine verzögerte Diagnose kann schwerwiegende Folgen haben

Foto: shutterstock_2247055207

Morbus Pompe ist eine seltene Erbkrankheit, die in vielen Fällen mit einer ausgeprägten Muskelschwäche einhergeht. Über die Ursachen der Erkrankung, die Herausforderungen bei der Diagnosestellung und die derzeitigen Behandlungsoptionen sprachen wir mit Dr. Athanasia Ziagaki, Leiterin des Kompetenzzentrums für Seltene Stoffwechselkrankheiten an der Charité Berlin.

Dr. med. Athanasia Ziagaki

Fachärztin für Innere Medizin, Leitung des Kompetenzzentrums Seltene Stoffwechselkrankheiten der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Foto: Charité Berlin

Die verfügbaren Therapien haben das Ziel, die Erkrankung aufzuhalten und damit die Mobilität und Lebensqualität Betroffener zu erhalten.

Morbus Pompe ist eine sehr seltene Erkrankung, in Deutschland leben schätzungsweise nur etwa 800 Betroffene. Wo liegt die Ursache für die Erkrankung und wie unterscheidet sie sich von anderen lysosomalen Speichererkrankungen?

Morbus Pompe ist eine angeborene Erkrankung, die autosomal-rezessiv vererbt wird. Die Ursache ist ein Mangel eines bestimmten Enzyms, der sogenannten sauren alpha-1,4-Glukosidase. Dieses Enzym wird benötigt, um in den Lysosomen (vereinfacht sind das die „Mägen“ der Zellen) Glykogen in Glukose umzuwandeln. Glukose benötigt der Körper, insbesondere das Gehirn und die Muskeln, um den Energiehaushalt zu regeln. Ist das Enzym defekt, kommt es zu einer Ansammlung von Glykogen in den Lysosomen, insbesondere in den Muskelzellen. Das führt zu einer Schädigung der Skelett- und Atemmuskulatur. Beim Morbus Pompe handelt es sich primär um eine neuromuskuläre Erkrankung. Der Entstehungsmechanismus und die Symptome sind also anders als bei anderen lysosomalen Speichererkrankungen, auch die Therapiemöglichkeiten sehen entsprechend anders aus.

Wie äußert sich der Morbus Pompe und was bedeutet die Erkrankung für den Alltag Betroffener?

Man unterscheidet zwei Formen: zum einen die infantile Form, die bereits bei Kindern auftritt. Diese zeigt sich durch eine Herzbeteiligung und eine Muskelschwäche. Ohne Therapie versterben betroffene Kinder meist im ersten Lebensjahr. Zum anderen gibt es die adulte Form, die sich erst im Erwachsenenalter zeigt. Hier ist vor allem die Skelett- und Atemmuskulatur betroffen, die Herzbeteiligung fehlt. Je später die Symptome auftreten, umso geringer ist die Glykogenspeicherung in den Muskelzellen, was wiederum einen umso milderen Verlauf bedeutet. Der adulte Morbus Pompe äußert sich durch eine Muskelschwäche im Bereich des Gliedergürtels. Betroffene merken das, indem sie z. B. beim Aufstehen von einem Stuhl, beim Treppensteigen oder beim Aufrichten aus der Hocke Probleme haben. Meist nutzen sie bei diesen Tätigkeiten die Arme zur Unterstützung. Schreitet die Erkrankung weiter fort, wird auch das Laufen beeinträchtigt: Der Gang wird unsicher, sie stolpern häufig oder können nur noch kürzere Strecken laufen.

Es kann auch zu Atemproblemen kommen, wenn das Zwerchfell oder die Zwischenrippenmuskulatur betroffen sind. Das kann sich in nächtlichen Atemaussetzern und unruhigem Schlaf zeigen, was wiederum Kopfschmerzen am Morgen oder eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit bewirken kann. In seltenen Fällen kann die Muskulatur des Verdauungstraktes betroffen sein, was zu Verdauungsstörungen und in einigen Fällen zu Durchfall führen kann. Außerdem klagt mehr als die Hälfte der Betroffenen über Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. Wichtig ist aber anzumerken, dass jeder Patient eine unterschiedliche Symptomausprägung hat und individuell behandelt werden muss.

Was sind die Herausforderungen bei der Diagnosestellung und was sind die Gefahren, wenn die Erkrankung erst spät erkannt wird?

Zum einen ist das die Seltenheit der Erkrankung: Es wird oft nicht als erstes an Morbus Pompe gedacht, besonders, wenn die Symptome mild ausfallen. Zudem können die Symptome auch auf andere Krankheiten deuten. Eine Muskelschwäche tritt z. B. auch bei anderen neurologischen Krankheiten wie Myopathien oder Muskeldystrophien auf. Die Atembeschwerden werden häufig zunächst mit einer COPD in Verbindung gebracht. Die Folge ist, dass Patienten Fehldiagnosen erhalten, erst spät zu einem Spezialisten überwiesen werden und die Diagnose verzögert erfolgt. Da die Erkrankung ohne Behandlung weiter fortschreitet, kann das schwerwiegende Folgen haben. Die einmal entstandenen Schäden sind nicht wieder rückgängig zu machen, auch wenn dann eine Therapie begonnen wird. Im fortgeschrittenen Stadium kann es sein, dass Betroffene im Rollstuhl sitzen und beatmet werden müssen. Das bedeutet eine starke Einschränkung der Lebensqualität. Eine frühe Diagnose ist also entscheidend für den Krankheitsverlauf. Die Diagnose kann durch eine Bestimmung der Enzymaktivität im Blut und eine anschließende molekulargenetische Untersuchung zweifelsfrei gestellt werden.

Wie sehen die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten aus und wie wirken sie sich auf die Lebensqualität Betroffener aus?

Die verfügbaren Therapien haben das Ziel, die Erkrankung aufzuhalten und damit die Mobilität und Lebensqualität Betroffener zu erhalten. Seit 2006 gibt es eine Enzymersatztherapie: Alle 14 Tage wird dem Patienten das fehlende Enzym per Infusion zugeführt. Das dauert immer etwa viereinhalb Stunden. Mittlerweile gibt es weitere Therapieansätze, wie neuartige Formen der Enzymersatztherapie. Seit 2022 steht eine modifizierte Enzymersatztherapie zur Verfügung mit dem Ziel, eine verbesserte Aufnahme durch die Muskelzellen zu erreichen. Zudem besteht seit 2023 die Möglichkeit, die Enzymersatztherapie mit einer sog. Chaperon-Therapie zu kombinieren. Die Chaperon-Therapie ist eine orale Kapsel, die das Ziel hat, die Enzymfunktion zu stabilisieren. Diese neuen Therapien zeichnen sich durch eine noch bessere Wirksamkeit und eine verbesserte Gewebeaufnahme aus, sodass das Enzym besser in die Muskelzellen eindringen kann. Zudem sind unterstützende Maßnahmen wie z. B. wöchentliche Physiotherapie wichtig zur Unterstützung der Muskelfunktion.

Welche Rolle spielt die interdisziplinäre Versorgung bei Morbus Pompe und die regelmäßige Kontrolle in spezialisierten Zentren?


Die Patienten benötigen diese interdisziplinäre Behandlung, da der Morbus Pompe eine Multisystemerkrankung ist, die mehrere Organe betrifft. Involviert sind hier Neurologen, Stoffwechselspezialisten, Pulmologen, Kardiologen, Physiotherapeuten und Ernährungsberater, die bei der Therapie eng zusammenarbeiten. An einem spezialisierten Zentrum können wir diese Betreuung anbieten, weswegen die Anbindung Betroffener an solche Zentren sehr wichtig ist. Durch die regelmäßige Vorstellung in spezialisierten Zentren kann zudem schnell ein mögliches Fortschreiten der Erkrankung erkannt und die Therapie rechtzeitig angepasst werden, auch wenn die reguläre Versorgung durchaus auch wohnortnah oder zu Hause stattfinden kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass an den Zentren die neuesten Behandlungsmöglichkeiten angeboten werden und zudem auch häufig Studien laufen, an denen sich Betroffene beteiligen können. So können Patienten einen wichtigen Beitrag zur weiteren Erforschung Ihrer eigenen Krankheit beitragen.

Next article