Der Morbus Fabry ist eine erblich bedingte Stoffwechselstörung. Betroffenen fehlt ein Enzym zum Aufspalten bestimmter Fette. Die lagern sich infolgedessen in verschiedenen Organen ab und schädigen sie zunehmend. Judith Roth bekam die Diagnose Morbus Fabry mit 55. Hier berichtet sie über ihren Alltag mit der lysosomalen Speicherkrankheit – einer Erbschaft mit Folgen.
Frau Roth, wie zeigte sich Ihr Morbus Fabry und wann erhielten Sie Ihre Diagnose?
Ich hatte keinerlei beunruhigende Symptome. Gegen meinen Bluthochdruck nahm ich seit Jahren Medikamente. Bei der regelmäßigen Kontrolle beim Nephrologen fiel immer mal wieder zu viel Eiweiß im Urin auf, ich schluckte dann Antibiotika. Mit Mitte 40 spürte ich, dass ich körperlich nicht mehr ganz so fit war wie früher, ich wurde schneller müde, konnte mich mitunter nur schwer konzentrieren. Das schob ich aber auf die Wechseljahre. Im Jahr 2017 bekam meine Schwester plötzlich Herzprobleme, deren Ursache lange keiner erklären konnte – bis ein Gentest ihr schließlich einen Morbus Fabry bescheinigte.
Meine Schwester fand schnell heraus, dass dieser über das X-Chromosom des Vaters an alle Töchter vererbt wird, und sprach mich daraufhin an. Ein Gentest brachte mir meine Diagnose 2018. Bei den anschließenden Untersuchungen zeigten sich bei mir typische Symptome: Meine Herzwand war verdickt und der Herzmuskel vergrößert. Ein aktuelles Kopf-MRT (Magnet-ResonanzTomographie) ergab zudem leichte Ablagerungen im Gehirn, und neben dem Herz ist auch meine Niere inzwischen leicht betroffen.
Der Austausch mit anderen Betroffenen in der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe ist eine große Hilfe für mich.
Was fühlten Sie in dem Moment der Diagnose?
Nach dem ersten Schock sagte ich mir: „Judith. Du hast 55 Jahre ohne große gesundheitliche Probleme gelebt. Das ist jetzt so. Da musst du künftig eben drauf achten.“ Ich war Arzthelferin bei einem Augenarzt – der „professionelle“ Hintergrund half mir, die Diagnose zu schlucken. Viel schwerer dagegen fiel es mir, meinen Kindern davon zu berichten und ihnen zu sagen, dass ich ihnen den Morbus Fabry vererbt haben könnte: Das Risiko lag bei 50:50.
Bestätigte sich Ihre Befürchtung?
Leider ja. Sowohl mein Sohn als auch meine Tochter, heute beide über 30, haben einen Morbus Fabry. Unsere „familiäre Mutation“ der Erkrankung ist zwar nicht ganz so gravierend, aber bei meinem Sohn zeigten sich bereits erste Anzeichen an den Nieren. Es ist krankheitstypisch, dass Männer meist früher und stärker davon betroffen sind. Bei meiner Tochter waren die Testbefunde glücklicherweise bislang negativ.
Noch ist ein Morbus Fabry zwar unheilbar – doch er ist gut behandelbar. Lassen Sie sich therapieren, und wie geht es Ihnen unter der Therapie?
Ich bin, wie auch mein Sohn, seit drei Jahren in Behandlung, zuerst bei Spezialisten in Mainz, inzwischen in Heidelberg. Ich bekomme eine Enzymersatztherapie, das heißt, dass mir alle 14 Tage ein synthetisches Enzym in die Blutbahn gegeben wird, anfangs in der Klinik, mittlerweile zu Hause. Meine Tochter startet demnächst mit ihrer Therapie.
Die Infusionen vertrage ich gut. Manchmal bin ich danach etwas erschöpft, aber das hat sicher auch noch andere alltägliche Ursachen. Vergangenes Jahr hatte ich plötzlich Herzrhythmusstörungen, was für Menschen wie mich – mit „Baustelle am Herzen“ – nicht untypisch ist. Mit einer Kardioversion konnte der zu schnelle Herzrhythmus wieder normalisiert werden (Sinusrhythmus). Wirklich beeinträchtigt fühle ich mich von meinem Morbus Fabry nicht – noch ist er kein Störfaktor. Zum Glück ist er bislang auch schmerzlos.
Ein Morbus Fabry ist chronisch, er bleibt Ihr Leben lang. Wie läuft der Alltag damit?
Ich habe mich arrangiert. Es dauerte zwar, bis ich mir vor zwei Jahren eingestand, dass mir mein Job in der Augenarztpraxis zu stressig geworden war. Doch heute arbeite ich im Gemeindebüro einer evangelischen Kirche in Wiesbaden – und der Wechsel tat mir gut.
Die regelmäßige Heimtherapie ist ein Termin im Kalender wie jeder andere auch. Mit der Erschöpfung, die mich begleitet, habe ich umzugehen gelernt. Spüre ich sie, gebe ich meinem Körper, was er braucht: Ruhe. Ich lege mich hin und sage auch mal die eine oder andere geplante Unternehmung ab, gerade in für alle sowieso stressigen Zeiten wie vor Weihnachten: Da sinkt meine Belastbarkeit spürbar und ich bin auch psychisch schon mal etwas angeschlagen. Hilfreich ist für mich dann oft der Austausch mit anderen Betroffenen in der MorbusFabry-Selbsthilfegruppe.
Morbus Fabry Selbsthilfegruppe e. V.
In Deutschland sind derzeit etwa 1.200 Morbus Fabry-Patienten diagnostiziert, wobei eine hohe Dunkelziffer vermutet wird. Es ist eine Erbkrankheit, die zu Beginn sehr unspezifische Auswirkungen hat: Schmerzen in den Gelenken, Flecken auf der Haut oder extreme Müdigkeit. Auch Brennschmerzen in den Händen und Füßen, die bereits Betroffene im Kindesalter bemerken, können ein Hinweis auf die Erkrankung sein. So wird die Krankheit häufig erst festgestellt, wenn sie schon große Schäden angerichtet hat: starke Nierenschädigung, Schlaganfall in jungen Jahren oder extreme Vergrößerung des Herzmuskels. Unbehandelt kann sich die Lebenszeit Betroffener um bis zu 25 Jahre verkürzen. Seit 20 Jahren gibt es für Patienten mit Morbus Fabry wirkungsvolle Therapien, die die Erkrankung stoppen oder verlangsamen. Je früher sie erkannt wird, umso geringer sind die bleibenden Schäden. Doch gibt es nur wenige gute Behandlungszentren für diese seltene Erkrankung.
Es ist wichtig, dass wir als Gruppe von betroffenen Patienten sichtbarer werden, uns gegenseitig mit Informationen über Kliniken und neue Therapieansätze versorgen – auch im persönlichen Austausch. Mit mittlerweile 160 Mitgliedern versucht die Morbus Fabry Selbsthilfegruppe (MFSH) unter anderem, in der Politik und in der Forschung auf dieses Krankheitsbild aufmerksam zu machen. Zusammen sind wir stark: Je mehr Menschen uns als Mitglieder unterstützen, umso mehr Gehör bekommen wir!
Weitere Informationen unter:
www.fabry-shg.org