Morbus Fabry ist eine seltene monogenetische Stoffwechselstörung, die zu den lysosomalen Speichererkrankungen gehört. Was viele Betroffene eint, ist der oftmals lange Leidensweg bis zur Diagnose. Wir sprachen mit der Expertin Prof. Dr. med. Janina Müller-Deile über das Chamäleon unter den seltenen Erkrankungen.

Prof. Dr. med. Janina Müller-Deile
Fachärztin für Nephrologie und Innere Medizin, Oberärztin am Uniklinikum Erlangen
Foto: UK Erlangen
Die Morbus FabryTherapie ist immer eine individuelle und interdisziplinäre Betreuung.
Morbus Fabry ist eine seltene Erkrankung, die sich durch unspezifische und diffuse Symptome bemerkbar macht. Was passiert bei der Erkrankung im Körper Betroffener und wie zeigt sie sich konkret?
Bei Betroffenen liegt eine Mutation auf dem sogenannten GLA-Gen vor, das zu einer verminderten oder ausbleibenden Produktion eines bestimmten Enzyms führt, das eigentlich zum Abbau bestimmter Fettstoffe (Glykosphingolipide) benötigt wird. In der Folge lagern sich bestimmte Stoffwechselprodukte in verschiedenen Zellen des Körpers ab und Entzündungsprozesse im Körper werden in Gang gebracht. Diese Kombination führt dazu, dass Betroffene ein sehr heterogenes Krankheitsbild zeigen können.
Bereits im frühen Kindesalter zeigen sich erste Symptome, klassischerweise Schmerzen und Missempfindungen besonders in den Händen und Füßen, die sich wie ein starkes Brennen anfühlen. Zudem zeigen sich oft Veränderungen an der Haut: kleine rote Flecken, die aber keine Schmerzen verursachen. Tatsächlich berichten bereits Kinder, dass sie nicht schwitzen können oder mit Beschwerden auf Kälte oder Hitze reagieren. Etwa 60 % der Jungen und 40 % der Mädchen mit Morbus Fabry haben bereits im Kindesalter solche Beschwerden.
Schreitet die Erkrankung fort, kommen zu den genannten Symptomen im jungen Erwachsenenalter erste Organbeteiligungen hinzu. Dazu gehören z. B. Nierenprobleme, die sich durch eine erhöhte Eiweißausscheidung und später eine verminderte Entgiftung zeigen. Im Alter von 30 bis 40 Jahren kommen häufig Herzbeteiligungen hinzu, die sich durch eine verdickte Herzwand, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen zeigen können. Auch können in diesem vergleichsweise jungen Alter Schlaganfälle auftreten, für die sich keine plausible Ursache finden lässt. Oft laufen Betroffene von Facharzt zu Facharzt, ohne eine Diagnose zu erhalten, weil der Kardiologe sich nur das Herz, der Nephrologe die Niere, der Dermatologe die Haut anschaut. Man muss also unbedingt die Augen offen halten für Auffälligkeiten in der Kombination der einzelnen Symptome, um der Erkrankung auf die Spur zu kommen.
Warum ist eine frühe Diagnose so wichtig und was sind die Gefahren bei einer erst späten Diagnose?
Je früher die Diagnose gestellt wird, umso schneller kann die Erkrankung behandelt und aufgehalten werden. Wird die Diagnose erst spät gestellt, können bereits Schäden an z. B. Herz, Niere oder Gehirn entstanden sein, die nicht wieder rückgängig zu machen sind. Auch ist die Lebensqualität durch die ständigen Schmerzen und Beschwerden stark eingeschränkt. Außerdem geht der Morbus Fabry mit einer verkürzten Lebensdauer einher, wenn er nicht behandelt wird, da Betroffene an den Schäden, die an den Organsystemen entstehen, verfrüht versterben können.
Welche Rolle spielt die Familienanamnese bei erblich bedingten Erkrankungen wie Morbus Fabry?
Eine Familienanamnese ist bei Verdacht auf genetisch bedingte Erkrankungen immer angeraten. Wir erstellen dabei einen Stammbaum und erfragen Familienmitglieder mit Auffälligkeiten oder diagnostizierten Erkrankungen. Das kann bereits erste Hinweise geben, welchem Erbgang die Erkrankung folgt.
Bei Morbus Fabry liegt das kranke Gen auf dem XChromosom, so lässt sich auch die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe an Kinder bestimmen. Das bedeutet, dass wir durch die Familienanamnese einerseits bestimmte Familienmitglieder entlasten und andererseits die verbleibenden testen und ggf. therapieren können.
Vor zwanzig Jahren wurde die erste kausale Therapie für Fabry-Patienten zugelassen. Was hat sich seitdem getan und können Betroffene unter Therapie einen normalen Alltag bestreiten?
Wir haben zwei zugelassene Therapieansätze. Das ist zum einen die Enzymersatztherapie, die das fehlende Enzym ersetzt. Diese Behandlung erfolgt intravenös alle zwei Wochen. Natürlich muss bei der Enzymersatztherapie ein gewisser organisatorischer Aufwand betrieben werden, weil man die Termine einhalten muss, sodass der Alltag in gewisser Weise verändert ist. Zum anderen gibt es die sogenannte ChaperonTherapie: eine Tablette, die Betroffene alle zwei Tage zur gleichen Uhrzeit einnehmen.
Die Symptome bessern sich in aller Regel unter Therapie. Allerdings gibt es Beschwerden, die schwer zu behandeln sind, wie z. B. die Schmerzen oder das Risiko für Schlaganfall. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Patienten, die eine Organbeteiligung haben, nicht nur mit der spezifischen Fabry-Therapie behandelt werden, sondern auch eine Behandlung der Folgeerkrankungen erhalten. Ist das Herz betroffen, müssen der Blutdruck und die Cholesterinwerte überprüft und ggf. medikamentös ins Lot gebracht werden. Nach Schlaganfall muss auch bei Ihnen eine Antikoagulation durchgeführt werden. Sind die Nieren betroffen, müssen diese Nierenschäden behandelt werden. Auch mögliche psychosomatische Begleiterscheinungen wie depressive Verstimmungen, Depressionen oder Angstzustände müssen berücksichtigt werden, da die Erkrankung natürlich auch eine enorme seelische Last bedeuten kann. Die Morbus Fabry-Therapie ist also immer eine individuelle und interdisziplinäre Betreuung.