Morbus Fabry ist eine seltene monogenetische Stoffwechselstörung, die zu den lysosomalen Speichererkrankungen gehört. Was viele Betroffene eint, ist der oftmals lange Leidensweg bis zur Diagnose. Wir sprachen mit Prof. Dr. Christine Kurschat, Leiterin der Morbus Fabry Spezialambulanz am UK Köln, über die seltene Erkrankung.
Prof. Dr. Christine Kurschat
Internistin, Nephrologin, Transplantationsmedizinerin, Hypertensiologin DHL und Leiterin der Spezialambulanz Morbus Fabry am UK Köln
Morbus Fabry wird auch das „Chamäleon unter den seltenen Erkrankungen“ bezeichnet. Warum?
Es gibt kein einzelnes Symptom, das nur bei dieser Erkrankung vorkommt, sodass man leicht auf die Erkrankung schließen könnte. Vielmehr kann Morbus Fabry sehr viele verschiedene Symptome in unterschiedlichen Bereichen hervorrufen, z. B. an der Niere, in den Blutgefäßen oder am Herzen, auch frühe Schlaganfälle können ein Zeichen sein. Fabry-Patienten weisen aber nie alle Symptome auf und auch innerhalb der gleichen Familie sind die Symptome der einzelnen Betroffenen oft ganz unterschiedlich.
Gibt es Gruppen, die besonders oft betroffen sind?
Nein, eine Häufung der Erkrankung innerhalb bestimmter Altersgruppen, Geschlechter oder Ethnien gibt es nicht. Ausgenommen ist die Insel Taiwan, hier hat sich eine bestimmte Mutation stärker ausgebreitet. Auch in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe Kanadas tritt eine einzelne Mutation vermehrt auf, aber insgesamt kommt Morbus Fabry weltweit vor. Bei Männern treten häufiger schwerere Symptome auf, weil sie nur ein X-Chromosom haben. Dennoch können auch Frauen schwer betroffen sein.
Was passiert bei der Erkrankung im Körper?
Bei Morbus Fabry kann ein bestimmter Stoff nicht abgebaut werden, weil das Enzym Alpha-Galaktosidase fehlt, bzw. nicht richtig funktioniert. Das führt dazu, dass die Fettstoffe, Glykosphingolipide, die das Enzym normalerweise spaltet, sich im Gewebe und in zahlreichen Organen anreichern, insbesondere das Globotriaosylceramid, GL-3 oder Gb3.
Diese Anreicherung lässt sich bereits in der Plazenta nachweisen. Die klinischen Auswirkungen zeigen sich erst später, allerdings kann Morbus Fabry schon im Kindes- und Jugendalter zu Beschwerden führen, wie brennende Schmerzen an Händen und Füßen, die in Wellen auftreten und durch bestimmte Umstände wie körperliche Anstrengung oder fiebrige Infekte ausgelöst werden. Oft wird dies als Wachstumsschmerz abgetan, aber man sollte bei solchen Symptomen immer auch daran denken, dass eine seltene Erkrankung dahinterstecken könnte.
Bis zur Diagnose können durchaus zehn bis fünfzehn Jahre vergehen, manchmal mehr
Wie lange dauert es durchschnittlich bis zur Diagnose?
Bis zur Diagnose können durchaus zehn bis fünfzehn Jahre vergehen, manchmal mehr. Das liegt daran, dass die Symptome, die sich anfangs zeigen, meist sehr unspezifisch sind. Es gibt ca. 8000 verschiedene seltene Erkrankungen; man denkt zunächst an die häufigen, bis man sich unter den seltenen auf Ursachenforschung macht. Auch spielt eine Rolle, wo man sich untersuchen lässt. Ich bin Spezialistin für Morbus Fabry und setze die verschiedenen Symptome zu einem Puzzle zusammen, aber viele Ärzte kennen die Krankheit nicht. Wenn etwas nicht ins Bild passt, z. B. eine seltsame Hautveränderung, merkwürdige Einlagerungen in der Hornhaut oder ein dickeres Herz, ohne dass ein Bluthochdruck vorliegt, könnte dies auf Morbus Fabry hinweisen. Bei Männern wird bei einem Verdacht die Enzymaktivität gemessen, um die Diagnose zu stellen, und dann ein Gentest durchgeführt, bei Frauen ist ein Gentest notwendig.
Welche Rolle spielt die Familienanamnese?
Da es sich um eine erbliche Erkrankung handelt, ist sie sehr wichtig. Im Fabry-Zentrum machen wir bei der Erstvorstellung immer eine ausführliche Familienanamnese und zeichnen auch den Stammbaum auf. Wenn ein Betroffener Morbus Fabry hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in der gleichen Familie weitere Betroffene gibt, die eine Therapie benötigen. Auch eine humangenetische Beratung ist wichtig, um Betroffene aufzuklären, ob und wie sie die Erkrankung weitergeben können.
Es ist gut, dass wir die Therapie haben, die Daten sind sehr überzeugend
Vor zwanzig Jahren wurde die erste kausale Therapie für Fabry-Patient:innen zugelassen. Was hat sich seitdem getan und können Betroffene unter Therapie einen normalen Alltag bestreiten?
Es ist gut, dass wir die Therapie haben, die Daten sind sehr überzeugend. Wir können Krankheitsverläufe verlangsamen und Lebenszeit verlängern. Allerdings kann man Morbus Fabry bislang nicht komplett zum Stillstand bringen. Für den Therapieerfolg spielt eine Rolle, ob die Erkrankung früh entdeckt wurde oder ob schon Organe geschädigt sind. Es müssen auch nicht alle Betroffenen therapiert werden, die Entscheidung wird in Abhängigkeit von der Ausprägung der Symptome zusammen mit den Betroffenen gefällt.