Spricht man über Lebererkrankungen, dann denkt man zunächst an häufig auftretende Krankheitsbilder wie Hepatitis oder Gelbsucht. Seltene Lebererkrankungen wie zum Beispiel die Primär Biliäre Cholangitis (PBC) sind weitestgehend unbekannt, was für Betroffene oft eine lange Odyssee bis zur richtigen Diagnose bedeutet. Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Frank Tacke über die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei seltenen Lebererkrankungen und über die so wichtige Aufklärungsarbeit zu diesen Krankheitsbildern, um Betroffene möglichst schnell diagnostizieren und versorgen zu können.
In Deutschland sind etwa 20.000 bis 30.000 Menschen betroffen.
Prof. Dr. med. Frank Tacke
Klinikdirektor Charité – Universitätsmedizin Berlin,
Medizinische Klinik m. S. Hepatologie und Gastroenterologie
Welche seltenen Lebererkrankungen sind derzeit bekannt und welche Ursachen vermutet man?
Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan unseres Körpers und es gibt eine Vielzahl möglicher Lebererkrankungen. Beispielsweise erblich bedingte Defekte in bestimmten Enzymen, die einzelne Stoffwechselfunktionen oder Aufgaben der Leber beeinträchtigen. Sie treten sehr selten auf. Es gibt auch Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen die Leber richtet, sogenannte autoimmune Lebererkrankungen. Zudem gibt es Speichererkrankungen, bei denen die Leber bestimmte Stoffe wie Kupfer oder Eisen nicht mehr richtig ausscheiden kann. Bei cholestatischen Lebererkrankungen wiederum ist die Galleausscheidung verändert, was meist zu Entzündungen und Immunreaktionen führt.
Zu letzteren zählt auch die seltene, Primär Biliäre Cholangitis (PBC). Was passiert im Körper von PBC-Betroffenen?
Die primär biliäre Cholangitis betrifft vor allem die kleinen und mittleren Gallenwege, die eine starke Entzündungsreaktion zeigen. Die genauen Ursachen der PBC sind nicht vollständig geklärt, doch man weiß, dass die Funktion der in der Leber gebildeten Galle gestört ist. Man vermutet eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift, was durch die häufigen Funde von Autoantikörpern bei PBC-Patienten untermauert wird.
Gibt es Häufungen, wen diese Erkrankung betrifft?
Ja, eine PBC betrifft hauptsächlich Frauen mittleren Alters, mit einem Diagnosegipfel zwischen 50 und 60 Jahren. Die Erkrankung kann aber grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten, wobei die Verteilung der Geschlechter ungleich ist. 90 bis 95 % der Betroffenen sind Frauen. Warum Frauen häufiger betroffen sind, ist unklar. Es wurden zahlreiche genetische Assoziationsstudien durchgeführt, um Risikogene zu identifizieren. Möglicherweise spielen auch hormonelle Veränderungen eine Rolle. Frauen sind insgesamt häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen, was aber nicht für alle Autoimmunerkrankungen gilt. So tritt beispielsweise Psoriasis häufiger bei Männern auf, während andere Erkrankungen wie Schilddrüsenimmunerkrankungen verstärkt bei Frauen auftreten.
Die Betroffenen stehen mit 50 oder 60 Jahren mitten im Leben. Das bringt sicher Herausforderungen mit sich?
Ja, das typische Erkrankungsalter stellt sogar eine große Herausforderung dar, denn die Betroffenen sind einer doppelten Belastung durch Beruf und Familie ausgesetzt. Zu den häufigsten Symptomen der PBC gehört die sogenannte Fatigue, eine übermäßige Müdigkeit und Kraftlosigkeit, die möglicherweise mit der Autoimmunität zusammenhängt. Ebenso häufig treten Juckreiz (Pruritus) und trockene Schleimhäute (SiccaSymptomatik) auf, besonders in den Abendstunden oder nachts.
Wie viele Menschen sind in Deutschland von PBC betroffen?
Man rechnet mit 10 bis 40 Betroffenen pro 100.000 Einwohnern, was in Deutschland etwa 20.000 bis 30.000 Menschen entspricht. Davon ist aber nur ein kleiner Teil diagnostiziert, denn die Diagnostik erfordert spezielle Bluttests; auch werden die Symptome teils nicht korrekt zugeordnet.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Für die Diagnose der Primären Biliären Cholangitis gibt es im Wesentlichen drei Bausteine, von denen zwei vorhanden sein müssen.
Zum einen sind dies erhöhte Leberwerte, insbesondere der alkalischen Phosphatase und der Gamma-GT, die einen gestörten Gallefluss anzeigen. Der zweite Baustein sind positive Autoantikörper, die AMA oder anti-mitochondriale Antikörper.
Der dritte Baustein, falls die anderen beiden Bausteine nicht eindeutig sind, wird durch eine Leberbiopsie ermittelt. Das Lebergewebe von PBC-Betroffenen zeigt in der Regel ein typisches Muster einer Gallengangsentzündung.
Wichtig ist, dass die Betroffenen von Spezialisten mitbetreut werden, die sich mit der Erkrankung auskennen, um die optimale Behandlung sicherzustellen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Patientinnen und Patienten mit Primärer Biliärer Cholangitis werden zunächst mit einem Gallensäurepräparat behandelt, das eine natürlich vorkommende Gallensäure enthält und die Galle flüssiger macht. Etwa 30 % der Betroffenen benötigen jedoch weitere Maßnahmen, da das Präparat allein nicht ausreicht. Hier kommen weitere Medikamente zum Einsatz. Die Prognose ist gut, wenn die Erkrankung rechtzeitig erkannt und konsequent behandelt wird. Ist dies der Fall, ist die Lebenserwartung nicht beeinträchtigt.
Erwarten Sie in näherer Zukunft spannende Entwicklungen für die PBC-Behandlung?
Ja, das Therapiespektrum für PBC wird sich in Zukunft erweitern. Besonders für die Patientinnen und Patienten, die nicht auf die Erstlinientherapie ansprechen, werden bald neue Präparate zur Verfügung stehen. Wichtig ist, dass die Betroffenen von Spezialisten mitbetreut werden, die sich mit der Erkrankung auskennen, um die optimale Behandlung sicherzustellen.
Primäre Biliäre Cholangitis (PBC): Das sind die möglichen Symptome
• Chronische Müdigkeit und Erschöpfung (sog. Fatigue)
• Starker Juckreiz ohne Veränderungen der Haut (sog. Pruritus)
• Trockene Schleimhäute (sog. Sicca-Syndrom)
• Gelbfärbung der Haut oder Schleimhäute bis hin zur Gelbsucht (sog. Ikterus)
• Konzentrationsschwierigkeiten
• Gelenkprobleme (sog. Arthralgien)
• Fettablagerungen unter der Haut (sog. Xanthome)
• Osteoporose
• Schilddrüsenerkrankungen
• Restless-Legs-Syndrom
Quelle: www.pbcnews.info