Das familiäre Mittelmeerfieber, kurz FMF, ist eine erblich bedingte Erkrankung und gehört zu den periodischen Fiebersyndromen. Warum es in Deutschland mittlerweile gar nicht mehr so selten ist und wie es behandelt wird, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Philipp Sewerin im Interview.
Priv.-Doz. Dr. med. Philipp Sewerin
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie am UK Düsseldorf
Autoinflammatorische Erkrankungen wie das familiäre Mittelmeerfieber sind seltene rheumatische Erkrankungen. Ist es für Ärzte schwierig, eine solche Erkrankung zu erkennen?
Prinzipiell sind autoinflammatorische Syndrome seltene Erkrankungen, das stimmt. Es gibt aber regionale Häufungen. Der Großteil dieser Erkrankungen ist genetisch vermittelt. Daher speziell beim FMF auch der Name „Familiäres“ Mittelmeerfieber. Diese Häufungen finden sich speziell in Südeuropa und Nordafrika, also im Mittelmeerraum, und im Nahen Osten wie z.B. Israel. Auch in der Türkei ist das FMF eine sehr häufige Erkrankung.
In Deutschland haben wir Regionen, wo viele türkische Einwandererfamilien ansässig sind und in denen das FMF entsprechend gehäuft auftritt. Auch zu Zeiten der Flüchtlingskrise traten solche Erkrankungen häufiger auf. Und plötzlich ist das FMF auch in bestimmten Teilen Deutschlands gar nicht mehr so selten. Dort kennen sich die Ärzte mittlerweile auch recht gut mit dem FMF aus.
Für Ärzte, die selten mit solchen Krankheitsbildern zu tun haben, ist es aber nicht leicht, sie zu erkennen. Das betrifft meist die Regionen in Deutschland, in denen die Bevölkerungsstruktur eine andere ist, z.B. im Norden oder Osten. Meist werden die Symptome dann als wiederkehrende Infekte fehlgedeutet.
Mit welchen Symptomen äußert sich konkret das FMF bei den betroffenen Patienten?
Das wichtigste Symptom sind wiederkehrende Fieberschübe. Weiterhin treten oft Bauchschmerzen auf und es kann sich durch die Entzündungssituation Wasser im Bauchraum ansammeln. Diese Kombination aus Fieber, Schüttelfrost und starken Bauchschmerzen ruft häufig die Chirurgie auf den Plan und führt dazu, dass Betroffenen oft fälschlicherweise der Blinddarm entfernt wird.
Dazu kommen Gelenkschmerzen bis hin zu Gelenkentzündungen, die große Gelenke wie Knie, Hüfte, Sprunggelenke, Handgelenke oder Schultern betreffen können. Gelegentlich können auch rötliche Hautveränderungen zum Beispiel im Bereich der Knöchel auftreten. All diese Symptome treten typischerweise im Rahmen des Fieberschubes auf und klingen nach kurzer Zeit selbstständig wieder ab.
Jetzt könnte man sagen: Wenn die Beschwerden von allein wieder abklingen, dann muss man ja gar nicht therapeutisch intervenieren. Das ist aber mitnichten so, denn die Fieberschübe sind für Betroffene extrem belastend. Außerdem gehen hohe Ausfälle im Schulalltag, im Berufs- und Sozialleben damit einher. Zudem sind stetige Entzündungen im Körper ein Problem: Betroffene, die nicht behandelt werden, können sogenannte sekundäre Amyloidosen entwickeln, die schwere Organschäden zur Folge haben können. Patienten werden dann niereninsuffizient, müssen an der Dialyse behandelt werden und versterben in der Regel auch früher.
Wie kann das FMF verlässlich diagnostiziert werden?
Erhöhte humorale Entzündungszeichen wie CRP-Werte oder Blutsenkungsgeschwindigkeit sind hier besonders wichtig und können auf die richtige Spur führen. Absolute Gewissheit kann dann die genetische Diagnostik bringen.
Welche Behandlungsoptionen gibt es für Patienten mit einem FMF?
Aufgrund der guten Therapiemöglichkeiten können Patienten ein weitestgehend beschwerdefreies Leben führen. Wichtig ist eine konsequente Kontrolle der Entzündungsreaktion, damit langfristig keine Folgeerkrankungen entstehen und die Belastungen durch die Symptome eingedämmt werden können. Die Basistherapie besteht nach wie vor in der Gabe von Colchicin, das früher in großen Mengen in Tablettenform an Betroffene verabreicht wurde. Das wiederum hatte oft Beschwerden wie Durchfall und Erbrechen zur Folge, weswegen man heute geringere Dosen verabreicht.
Bei manchen Patienten treten aber auch unter Gabe von Colchicin weiter Fieberschübe auf. Für diese Patienten gibt es eine ganze Reihe von neuen Therapieoptionen in Form von Biologika, sogenannte Interleukin-1-Antagonisten. Interleukine sind entzündungsfördernde Botenstoffe, von denen Patienten mit autoinflammatorischen Erkrankungen zu viele produzieren, was dann die Fieberschübe auslöst. Die neuen Medikamente sorgen dann ganz vereinfacht ausgedrückt dafür, dass die Bildung des Hauptbotenstoffes Interleukin-1 verhindert wird, um die Entzündung gar nicht erst entstehen zu lassen. Derzeit sind zwei Präparate in Deutschland zugelassen, wobei beide insbesondere bei schweren Verlaufsformen eingesetzt werden und sich im Wesentlichen in der Frequenz der Applikation unterscheiden.
Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit Patienten mit autoinflammatorischen Symptomen schneller diagnostiziert werden können und die Hilfe bekommen, die sie benötigen?
Die ersten Adressaten sind hier die Familien selbst, denn wenn solche Fiebererkrankungen gehäuft auftreten, dann ist das oft kein Schicksal, mit dem man dann eben leben muss. Dafür muss man betroffene Familien aus den entsprechenden Regionen verstärkt sensibilisieren, damit die Patienten behandelt werden können. Die zweite Adresse sind natürlich die Ärzte. Besonders Hausärzte und Pädiater muss man dafür sensibilisieren, dass Patienten mit den beschriebenen Symptomen, die aus den genannten Gebieten kommen, eine solche Erkrankung haben könnten. Daher sollte bei der beschriebenen Symptomatik auf jeden Fall eine Familienanamnese gemacht werden, eine Kontrolle der Entzündungsparameter erfolgen und bei Verdacht auf FMF eine genetische Diagnostik in die Wege geleitet werden. Wenn der Befund positiv ist, sollte der Patient an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden, damit er adäquat versorgt werden kann.