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Autoimmunerkrankungen

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) – Mehr Lebensqualität durch individuelle Therapieansätze

Foto: Fox_Ana via Shutterstock

Lupus – vielen ist der Name dieser Erkrankung bekannt, doch die wenigsten wissen, was sich dahinter verbirgt, was sich dabei im Körper Betroffener abspielt und welchem Leidensdruck Betroffene ausgesetzt sein können. Mit dem Experten Dr. med. Peer M. Aries sprachen wir über Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und den Umgang mit dieser seltenen Erkrankung.

Dr. med. Peer M. Aries

Internist, Rheumatologe und Immunologe

Herr Dr. Aries, Sie betreuen in Ihrer Praxis unter anderem auch Patienten mit der seltenen Erkrankung Lupus (kurz SLE für systemischer Lupus erythematodes). Was passiert bei dieser Erkrankung im Körper Betroffener und wie äußert sie sich?

Der Lupus erythematodes ist insofern eine klassische Autoimmunerkrankung, als dass sich hierbei das eigene Immunsystem leider nicht nur gegen Bakterien und Viren zur Wehr setzt, sondern angefangen hat, den eigenen Körper entzündlich zu bekämpfen. Typischerweise sind dabei die Haut und Schleimhäute betroffen, und je nach Ausprägung des Lupus auch einzelne der inneren Organe. Besonders fürchten wir entzündliche Veränderungen der Niere und des Herzens. Dadurch ist auch die klinische Symptomatik der Patienten erklärt.

Die chronische Entzündung führt nicht nur zu Erschöpfung und Abgeschlagenheit, sondern auch zu Hautveränderungen und möglicherweise Funktionsstörungen der betroffenen inneren Organe. Die Ausprägung des Lupus erythematodes ist bei jedem einzelnen Patienten anders und auch nicht zu jeder Zeit gleich: So gibt es Phasen der starken Entzündung und wiederum Intervalle, bei denen die Patienten keine Symptome bemerken. Es gibt entsprechend auch nicht „das Symptom“, was alle Patienten „immer“ haben, vielmehr kann der Patient heute andere Beschwerden haben als Morgen und übermorgen. Das ist für viele Patienten auch eine der größten Herausforderungen: Sich nicht auf seinen Körper verlassen und seinen Alltag damit auch nicht wirklich planen zu können.

Wie bei vielen seltenen Erkrankungen ist es nicht ganz einfach, einen SLE zu diagnostizieren. Was sind die Herausforderungen für Ärzte und wie kann die Erkrankung verlässlich diagnostiziert werden?

Wie oben schon angedeutet, kann die Ausprägung der Erkrankung sehr stark variieren, nicht nur bei dem einzelnen Patienten, sondern auch zu den unterschiedlichen Zeitpunkten. Die Schwierigkeit besteht darin, alle dazu gehörigen Symptome zu erfassen und miteinander in Verbindung zu bringen. Wenn alle Symptome und Befunde einmal in einem Arztbrief zusammengefasst wurden, ist es leicht, die Diagnose nachzuvollziehen. Die Symptome aber erst einmal zu finden und zu erklären, stellt für viele Ärzte eine große Schwierigkeit dar. Selbst für den Rheumatologen, der sich mit diesen Erkrankungen häufig beschäftigt, kann das schwierig sein. Grundlage für die Diagnose ist immer eine ausführliche Besprechung der Vorgeschichte (Anamnese), die dann durch zusätzliche Untersuchungen wie Laboruntersuchung des Blutes, des Urins sowie weitere Untersuchungen wie z. B. Röntgen oder Ultraschall ergänzt wird. Manchmal ist es auch nötig, eine Gewebeprobe zu entnehmen (z. B. der Haut oder der Niere), um sich bezüglich der Art der Entzündung unter dem Mikroskop einen größeren Durchblick zu verschaffen. Die größte Herausforderung ist dabei nicht nur die Diagnose zu stellen. Vielmehr haben wir den Ehrgeiz, die Diagnose immer früher zu stellen, bevor die Patienten einen langen Leidensweg durchgemacht haben und insbesondere bevor auch erste Schädigungen der inneren Organe aufgetreten sind. Dabei helfen uns auch die gerade neu erschienenen Klassifikationskriterien, die als eine Art Checkliste funktionieren. Je mehr Punkte auf dieser Checkliste erfüllt wurden, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den Symptomen der Patienten tatsächlich um einen systemischen Lupus erythematodes handelt.

Die Erkrankung kann zum Teil schwere Beeinträchtigungen des Alltags mit sich bringen. Welche Therapie-Optionen gibt es, um die Lebensqualität zu steigern?

In der Tat kann die Erkrankung zu einer erheblichen Einschränkung im Alltag führen. Wobei es genauso wichtig ist zu betonen, dass die Mehrzahl der Patienten keinen schweren Verlauf der Erkrankung haben. In den Gesprächen mit den Patienten, die sich um die Therapie drehen, haben wir natürlich immer die Lebensqualität der Patienten im Mittelpunkt. Die Lebensqualität ist sowohl durch die aktuelle Situation als auch durch die Prognose geprägt. Die Therapie darf deshalb nicht nur den aktuellen Zustand verbessern, sondern muss auch bezogen auf die Zukunft Vorteile bieten. Meistens ist es so, dass die für die Patienten im Vordergrund stehende Abgeschlagenheit durch eine adäquate Hemmung der Entzündung verbessert wird. Alle unsere Therapien haben deshalb die Entzündungshemmung im Fokus. Dadurch können nicht nur die aktuellen Beschwerden verbessert werden, sondern auch langfristig verhindert werden, dass die inneren Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Das Stichwort dabei ist das Verhindern von Vernarbungen durch die abgelaufene Entzündung. Cortison ist z. B. eine perfekte entzündungshemmende Therapie und hilft vielen Patienten innerhalb von kurzer Zeit, mittel- und langfristig hat es aber sehr viele Nebenwirkungen und sollte auf keinen Fall Grundlage einer mittel- oder langfristigen Therapie sein. Dafür haben wir cortisonfreie Medikamente, die zwar nicht zu schnell anfangen zu wirken, mittel- und langfristig aber deutlich besser verträglich sind und das Cortison häufig komplett ersetzen können. Neben den Medikamenten gibt es auch weitere grundlegende Empfehlungen, die wir dem Patienten mit Lupus erythematodes unbedingt raten. Neben dem Schutz vor UV-Strahlen ist ein guter Impfschutz, die Unterstützung der Knochengesundheit (Stichwort Vitamin D) als auch die Einnahme eines Anti-Malaria-Mittels dringend anzuraten, da mit diesem Therapiekonzept die Prognose der Patienten deutlich verbessert werden kann. Ernährung spielt sicherlich ebenfalls eine Rolle, wobei nach wissenschaftlichen Kriterien der Effekt der ausgewogenen Ernährung sicherlich günstig ist, eine adäquate medikamentöse Therapie aber nicht ersetzen kann.

Was ist bezüglich der Kommunikation zwischen Arzt und Patient im Hinblick auf die Definition der Therapieziele wichtig?

Aus unserem Alltag wissen wir, dass die Patienten unterschiedliche Stimmungsphasen im Rahmen ihrer Erkrankung durchmachen. Zunächst ist die Phase der Unsicherheit über die eigentliche Diagnose, die im weiteren Verlauf von der Sorge um die konkrete Diagnose und Prognose abgelöst wird. In den anschließenden Phasen merken die Patienten, dass die Ihnen empfohlene Therapie Ihnen hilft, möglicherweise aber auch Nebenwirkungen hat. In jeder der einzelnen Phasen muss mit dem Patienten unterschiedlich gesprochen werden. Vertrauen ist die Grundlage dieser Gespräche. Deshalb lohnt es, sich unter Umständen am Anfang mehr Zeit zu nehmen und Vertrauen zu gewinnen, um den Patienten die Erkrankung und das Therapiekonzept zu erklären. Wir sprechen von einem „Empowerment“ der Patienten: Diese sollen durch die richtigen Informationen in die Lage versetzt werden, ihre eigene Erkrankung zu verstehen und bei der Bekämpfung der Erkrankung mitzuhelfen. Das Therapieziel ist immer das Stoppen der Erkrankung, das wir als Remission bezeichnen. Sollte dieses Ziel innerhalb der ersten Wochen nicht erreicht werden, muss die Therapie angepasst werden, bis wir die Remission erreichen. Das bedeutet, dass manchmal nicht das erste und gegebenenfalls auch nicht das zweite Medikament ausreicht, sondern zum Teil erst das dritte Medikament das richtige Gleichgewicht aus Wirkung und Verträglichkeit hat. Wenn die Patienten dieses Konzept verstehen, ist es auch leichter, erste mögliche Rückschläge zu akzeptieren.

Wir leben immer noch mitten in der Pandemie. Gibt es hier spezielle Punkte, die SLE-Patienten beachten sollten?

Im Prinzip gilt für die COVID-19-Pandemie das Gleiche für wie für andere Infektionen. Durch unsere Medikamente ist das Risiko von Infektionen durch Bakterien und Viren generell erhöht, insbesondere durch Medikamente wie das Cortison. Die cortisonfreien Medikamente sind in Bezug auf Infektionen deutlich risikoärmer als das Cortison. Es muss somit immer das Ziel sein, das Cortison in einer so niedrigen Dosis wie möglich zu halten, wenn es denn überhaupt noch notwendig ist, Cortison einzunehmen.

Eine gute Kontrolle der Krankheitsaktivität ist ein zweiter wichtiger Punkt, da wir wissen, dass eine unzureichende Kontrolle der rheumatischen Entzündung einen Risikofaktor für einen schwerwiegenderen Verlauf einer jeden Infektion darstellt, aber eben auch für die SARS-CoV-2 Infektion. Zusammengefasst sind wenig Cortison und gute Kontrolle der Krankheitsaktivität die wesentlichen Bausteine in der aktuellen Pandemie für unsere Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen.

Die Therapie aus Angst vor einer Infektion zu beenden ist meistens keine gute Idee und sollte nicht ohne Absprache mit dem betreuenden Rheumatologen erfolgen. Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gehören zumeist mindestens der Prioritätengruppe 3 der Coronavirus-Impfverordnung an, wenn sie nicht durch ihr Alter oder eine andere Erkrankung in eine noch höhere Kategorie eingeteilt wurden. Das bedeutet, unsere Patienten können sich bevorzugt impfen lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie empfiehlt unseren Patienten ausdrücklich, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen, wobei es bezüglich der Impfstoffe keine bevorzugte Empfehlung gibt. Alle den Patienten entsprechend ihres Alters angebotenen Impfungen sind nach dem aktuellen Kenntnisstand möglich und zu empfehlen. Anhand der aktuellen Zahlen können wir beweisen, dass das Risiko einer SARS-CoV-2 Infektion oder COVID-19 Erkrankung wesentlich gefährlicher ist als das Risiko durch die SARS-CoV-2 Impfung.

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