Wenn sich Blutgefäße entzünden
Wenn man von rheumatischen Erkrankungen spricht, denken viele zunächst an klassische Alterserkrankungen, an geschwollene Gelenke und Schmerzen im Bewegungsapparat. Das Spektrum rheumatischer Erkrankungen ist aber sehr viel größer und umfasst auch eine beträchtliche Anzahl an seltenen Formen. Zu diesen seltenen Formen gehören auch die sogenannten Vaskulitiden: bei diesen Autoimmunerkrankungen sind die Blutgefäße entzündet. Dazu gehört auch die ANCA-assoziierte Vaskulitis mit ihren Unterformen, von denen in Europa circa 150 von 1 Million Menschen betroffen sind.
Die ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV)
Bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis sind die kleinen Blutgefäße des Körpers betroffen. Das wiederum führt zu Entzündungen und Schädigungen in verschiedensten Organen, wie zum Beispiel Nieren, Lunge, HNO (Hals, Nase, Ohren), Haut, Nervensystem, Gastrointestinaltrakt, Augen und Herz. Es handelt sich also um Systemerkrankungen, die in der Regel chronisch verlaufen und den ganzen Körper in Mitleidenschaft ziehen. Betroffen sind junge und vor allem ältere Menschen, sehr selten erkranken Kinder oder Jugendliche. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz. Männer sind geringfügig häufiger betroffen. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die in wechselnden Schüben mit akuter Krankheitsintensität und Phasen mit geringer Intensität verläuft. Unbehandelt führt die Erkrankung in wenigen Monaten zum Tod. Heute kann sie gut behandelt werden, allerdings hat die Therapie teils schwere Nebenwirkungen. So ist ein Großteil der Sterblichkeit heute auf therapiebedingte Infektionen zurückzuführen.
Man unterscheidet drei Formen der AAV: Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), auch bekannt unter dem Namen Morbus Wegener, mikroskopische Polyangiitis (MPA) und eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA), auch bekannt unter dem Namen Churg-Strauss-Syndrom.
Der Ursache auf der Spur
Bei AAV entsteht der Autoantikörper ANCA, der sich gegen ein Protein in bestimmten weißen Blutkörperchen, den Neutrophilen, richtet (ANCA steht dabei für antineutrophile zytoplasmatische Antikörper). Die Neutrophilen haften an den Wänden der Blutgefäße, durchdringen diese und setzen eine Reihe von Proteinen frei. Diese Proteine haben eigentlich die Aufgabe, Infektionen zu bekämpfen. Wenn ANCA sich an die Neutrophilen anheften, werden diese aktiviert, sodass eine Entzündung in und an der Gefäßwand entsteht, obwohl keine Infektion vorliegt. Und genau das soll eben nicht passieren – der Entzündungsprozess soll Infektionen bekämpfen und sich nicht gegen eigenes Körpergewebe richten. So entsteht ein Entzündungskreislauf, der die Blutgefäße und somit auch verschiedene Organe schädigt.
Symptome erkennen und richtig deuten
Da die kleinen Blutgefäße, die bei der AAV betroffen sind, im ganzen Körper vorkommen, kann sich die Erkrankung im ganzen Körper manifestieren. Je nachdem, welche Organe besonders betroffen sind, zeigen Patienten ganz unterschiedliche Symptome. Häufig beginnt die Erkrankung mit allgemeinen Beschwerden, wie zum Beispiel Müdigkeit, Gewichtsverlust, Fieber, Gliederschmerzen oder nächtlichen Schweißausbrüchen. Und hier zeigt sich bereits die Schwierigkeit bei der Diagnose: Die Symptome sind unspezifisch und können auch bei anderen Erkrankungen vorkommen. Betroffene suchen daher meist mehrere Ärzte verschiedener Fachrichtungen auf und es kann Monate oder sogar Jahre dauern, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Bei jedem dritten Patienten dauert die Diagnosefindung länger als sechs Monate. Diese Arztodyssee ist typisch für Menschen mit seltenen Erkrankungen und bringt einen hohen Leidensdruck mit sich.
Wenn dann der Verdacht auf AAV besteht, kann die Erkrankung nach einer ausführlichen Anamnese durch Blut- und Urintests, sowie bildgebende und histologische Verfahren nachgewiesen werden. Auch wenn die Diagnose zunächst ein Schock ist, so ist es für die meisten Betroffenen doch eine Erleichterung, dass ihre Krankheit endlich einen Namen hat.
AAV behandeln
Welche Behandlung Betroffene erhalten, hängt davon ab, welche Form der AAV vorliegt und wie schwerwiegend die Entzündung ist. In der Regel wird Patienten eine Kombination von Therapien zur Behandlung ihrer Erkrankung verordnet. Alle diese Therapien reduzieren die Aktivität des Immunsystems, um die Entzündung zu vermindern und die mit der AAV verbundenen Schäden aufzuhalten. Trotzdem können nach wie vor therapiebedingte Komplikationen auftreten. Daher wird weiter unter Hochdruck an einer stetigen Verbesserung der derzeitigen Therapieoptionen gearbeitet.
Durch die Entwicklung von zielgerichteten Therapien könnte sich die Lebenserwartung und Lebensqualität Betroffener stark verbessern.
In jedem Fall sollte die Behandlung an einem spezialisierten Zentrum erfolgen, da die Kontrollen vor allem zu Beginn recht engmaschig erfolgen und ausreichend Erfahrung mit dem Krankheitsbild erfordern. Auch eine psychologische Betreuung ist empfehlenswert, stellt die Diagnose doch meist das gesamte Leben Betroffener auf den Kopf. Zudem ist der Faktor der Vernetzung mit anderen Betroffenen nicht zu unterschätzen: Denn der Austausch mit Menschen zum Beispiel in Patienten-Selbsthilfegruppen, die verstehen, in welcher Lage man sich befindet, kann dabei helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen.
Information
Weitere Unterstützung finden Betroffene und deren Angehörige bei dem Verein „Selbsthilfegruppe Vaskulitis e. V.“:
Hauptstraße 6
54526 Landscheid/Eifel
Tel.: 06575-9014995
Fax.: 06575-903794
[email protected]
www.vaskulitisverein-rlp.de