Altersdemenz ist in aller Munde. Viele Angehörige mussten bereits im Verwandten- und Bekanntenkreis miterleben, was es bedeutet, wenn die Erkrankung den Betroffenen nach und nach ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten raubt, sie schlichtweg all ihre Erinnerungen verlieren. Für die Forschung ist die Demenz immer noch ein großes Rätsel und wirksame Therapien Mangelware. Genau so verhält es sich mit der Kinderdemenz. Und hier kommt hinzu: Die wenigsten wissen, dass das Schicksal Demenz überhaupt auch Kinder treffen kann.
Die Kinderdemenz NCL – wenn Kinder vergessen
Die Kinderdemenz NCL (Neuronale Ceroid Lipofuszinose) ist eine seltene und bisher immer tödlich verlaufende Stoffwechselkrankheit, die zur Folge hat, dass Protein- und Lipidablagerungen in den Zellen nicht mehr richtig abgebaut werden. Durch einen genetischen Defekt sterben nach und nach die Nervenzellen der betroffenen Kinder ab. Es beginnt im Grundschulalter mit Sehschwierigkeiten – innerhalb von zwei Jahren erblinden die Kinder vollständig. Im Laufe der Jahre folgen epileptische Anfälle, Demenz, der Verlust der Sprache und der motorischen Fähigkeiten, bis sie noch vor ihrem 30. Lebensjahr versterben. In Deutschland gibt es ca. 700 Betroffene, weltweit ca. 70.000. Damit zählt NCL – zum Glück – zu den seltenen Erkrankungen. Gleichzeitig bedeutet das, dass sich die Entwicklung eines Medikaments ökonomisch betrachtet, nicht lohnt und das Interesse seitens der Industrie daher recht gering ist. Der dramatische Verlauf der Kinderdemenz NCL kann bisher weder verzögert noch gestoppt werden.
Des Weiteren fehlt ein öffentliches Bewusstsein, was dazu führt, dass meist mehrere Jahre und zahlreiche Arztbesuche vergehen, bevor die Diagnose gestellt wird. Dabei ist es äußerst wichtig, die Krankheit früh festzustellen, damit die betroffenen Familien rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen in die Wege leiten können. Im Schnitt dauert es nach den ersten Symptomen zwei bis vier Jahre, bis die Eltern endlich Gewissheit haben, an welcher Krankheit ihr Kind leidet. Hinter den Familien liegt meist eine kräftezehrende Ärzteodyssee. Nach einer NCL-Diagnose ist für betroffene Familien nichts mehr, wie es vorher war. Das komplette Leben muss neu geordnet und organisiert werden, um die bestmögliche Versorgung für das erkrankte Kind zu gewährleisten, das im Laufe der Erkrankung einer 24- Stunden-Pflege bedarf. Eine extrem belastende Zeit, sowohl für die betroffenen Kinder als auch deren Familien.
Stiftungsgründer Dr. Husemann mit seinem Sohn Tim, 2012
Foto: NCL-Stiftung
Für eine Zukunft ohne Kinderdemenz
„Für eine Zukunft ohne Kinderdemenz“ ist die Mission der gemeinnützigen NCL-Stiftung. Sie setzt sich seit der Stiftungs-Gründung im Jahr 2002 für die nationale und internationale Forschungsförderung ein, um von NCL betroffenen Kindern eine Aussicht auf bisher fehlende Therapie- und Heilungsansätze zu geben. Aufgrund der Schnittmengen zu wesentlich häufiger vorkommenden Altersdemenzen könnten von dieser Forschung noch viel mehr Menschen profitieren.
Zudem leistet die Stiftung Aufklärungsarbeit bei Ärztinnen und Ärzten, bietet Projekte für Schulklassen an und sensibilisiert die Öffentlichkeit für die Erkrankung. Unterstützt wird die so wichtige Arbeit der Stiftung von Schirmherr Jan Josef Liefers, der sich bereits seit vielen Jahren für NCL und die betroffenen Familien stark macht.
Aktiv werden statt zuschauen
Gegründet wurde die Stiftung, die sich ausschließlich über Spendengelder finanziert, von Dr. Frank Husemann, bei dessen Sohn Tim 2001 im Alter von 6 Jahren NCL diagnostiziert wurde. Als Vater eines an NCL erkrankten Sohnes konnte und wollte er nicht tatenlos zusehen, wie ihm durch diese Krankheit Tag für Tag ein wenig mehr von seinem Kind genommen wird. Er wollte sich engagieren – nicht nur für sein Kind, sondern auch für die anderen betroffenen Kinder mit ihren Familien. Tim verstarb im Jahr 2022 im Alter von 27 Jahren an den Folgen seiner Erkrankung. Obwohl Tim nicht mehr geholfen werden konnte, ist die Zuversicht der NCLStiftung groß, dass in naher Zukunft aufgrund vielversprechender Ergebnisse aus der Forschung zunehmend neue Therapiemöglichkeiten klinisch getestet werden können. Hiermit wäre ein nächster Schritt zu einer „Zukunft ohne Kinderdemenz“ getan.
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