Wer Hospiz hört, denkt an ein graues, tristes Haus, das zum Sterben da ist. Kinderhospize sind aber anders, denn hier ist das Thema Tod kein Tabu. Familien haben Zeit sich zu erholen und Wut, Trauer und Angst sind erlaubt.
Besonders zur Faschingszeit ist es bunt: Luftballons hängen von der Decke, Luftschlangen werden um Pappteller und Pappbecher gelegt und der Zuckerguss der Berliner sorgt für leuchtende Augen. Dann erklingt die Musik. Mitarbeiter, Eltern und Kinder bilden einen Kreis und beginnen sich im Takt zu bewegen, während jeder einmal in den Kreis darf, um sich zu drehen und sein Kostüm zu präsentieren.
Der fünfjährige Leon, der heute als Cowboy verkleidet ist, sitzt aufgrund einer seltenen Muskelkrankheit im Rollstuhl, aber das ist für diesen Augenblick kein Problem. Seine Mutter schiebt ihn einfach im Rollstuhl in den Kreis. Eins wird hier sehr deutlich: Auch Kinder mit der Diagnose „lebensverkürzt erkrankt“ können Fasching feiern.
Dass im Kinderhospiz Fasching gefeiert werden kann, ist nur auf Grund von Spenden möglich. Gleiches gilt für Ausflüge mit Kindern, Kunst- und Musiktherapie und Elternunterkünfte.
Verständnis und Austausch
Sterben wird auch im Hospiz nicht leichter, aber es gibt verschiedene Wege mit der Last umzugehen. Eltern können sich untereinander austauschen und über ihre Gefühle sprechen. Hier treffen sie auf Verständnis für ihre Situation und dürfen auch mal den falschen Ton treffen oder keine Antwort haben. Auch Leons kleiner Bruder Jonathan findet im Kinderhospiz einen Ort zum Toben und Lachen. Gerade für gesunde Geschwisterkinder ist es aber auch wichtig, über die Erkrankung zu sprechen, um die Situationen besser zu verstehen.
Der Tag neigt sich nun langsam dem Ende zu und Leon und Jonathan machen sich mit ihren Eltern auf den Weg nach Hause. Heute war ein Tag zum Lachen – für die ganze Familie. Wenn Leon das nächste Mal ins Hospiz kommt, wird er stationär aufgenommen. Leon wird nicht alt, aber bis zu seinem Tod können noch Jahre
vergehen.
Kinderhospiz: Ein Ort zum leben und sterben
In Deutschland leben circa 40.000 Kinder und Jugendliche mit lebensbegrenzenden Erkrankungen. Jährlich sterben etwa 5.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an einer solchen Erkrankung. Die betroffenen Kinder und jungen Menschen aber auch deren Angehörige benötigen Hilfe, die durch ambulante aber auch stationäre Kinderhospize gewährleistet wird.
Die Arbeit in Kinderhospizen unterscheidet sich von der Arbeit in Erwachsenenhospizen in einem wesentlichen Punkt: Erwachsene in einem Hospiz werden explizit in der finalen, letzte Lebensphase begleitet. Kinderhospizarbeit hingegen ist ein unterstützendes Angebot für die gesamte Familie von kranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an einer stark lebensbegrenzenden Krankheit leiden. Dieses Angebot erstreckt sich oftmals vom Zeitpunkt der Diagnose, über viele Jahre
bis hin zum Tod.
Kinderhospizarbeit beginnt früher
Es gibt zwei Gründe, weshalb die Hospizarbeit mit Kindern früher einsetzen muss, als bei Erwachsenen. Zum einen sind Kinder abhängig von ihrer Familie beziehungsweise von ihren vertrauten Bezugspersonen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die stabile familiäre Situation und die häusliche Versorgung weiterhin gewährleistet werden. Die vertraute Umgebung des Kindes ist wichtig, damit es so lange wie möglich die Fähigkeit behält entsprechend der kindlichen Grundbedürfnisse zu leben.
Zum anderen ist es bei Kindern mit schweren Erkrankungen meist schwieriger eine Einschätzung über die Lebenserwartung zu geben, da die Verläufe zwischen Stabilisierung und Destabilisierung sich über große Zeiträume ausdehnen können. In akuten Fällen kann es deshalb immer wieder zu Aufenthalten im Kinderhospiz
kommen.
Ambulante Kinderhospizdienste
Eine tödlich verlaufende Erkrankung bringt auch eine permanente Belastung für die gesamte Familie mit sich und braucht Unterstützung. Das Angebot des ambulanten Kinderhospizdienstes soll betroffene Familien stärken, die Zeit hoher Belastungen besser zu bewältigen. Es wird gemeinsam mit der Familie die Situation der häuslichen Umgebung geklärt und darauf basierend werden Möglichkeiten der Unterstützung und Entlastung evaluiert. Speziell ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeiter kümmern sich regelmäßig um die Familie und begleiten das kranke Kind.
Stationäre Kinderhospizdienste
In stationären Kinderhospizen werden betroffene junge Menschen und ihre Angehörige begleitet, gepflegt und entlastet, wobei die Eltern beziehungsweise auch Angehörige entscheiden, wie viel sie abgeben möchten. Zudem bieten stationäre Kinderhospize professionelle Pflege, palliativmedizinische Versorgung, psychosoziale, seelsorgliche Begleitung und pädagogische Arbeit mit Geschwisterkindern.
Situation betroffener Familien
Sobald die Eltern die Diagnose erhalten haben, stehen sie zunächst vor der Aufgabe das Unwiderrufliche zu begreifen und die Tatsache anzunehmen. Sie müssen anstehenden Untersuchungen, Operationen und Therapien mit ihrem Kind durchlaufen und gleichzeitig lernen ihre Lebensperspektive neu zu entwickeln, ihren Alltag anders zu organisieren und Hilfe anzunehmen.
Eltern müssen sich immer wieder mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen. Oftmals stehen sie kritischen Situationen gegenüber, in denen der Abschied ganz nah scheint und aus denen heraus sich das Kind plötzlich wieder erholt. Das führt zu einem emotionalen Konflikt, dem Eltern zumeist über einen längeren Zeitraum
ausgesetzt sind.