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Forschung

Die molekulargenetische Diagnose als Schlüssel zu einem besseren Krankheitsverständnis und für eine bessere medizinische Versorgung

Foto: shutterstock_2189901805

Die molekulare Diagnosestellung stellt für viele Betroffene und deren Ärzteteam einen Meilenstein für das Verständnis und die weitere Versorgung der Erkrankung dar.

Die Verfügbarkeit genetischer und genomischer Untersuchungsmethoden bei Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen hat die Medizin nachhaltig verändert. Mittlerweile lässt sich bei mehr als 50% aller Betroffenen eine genetische Ursache der seltenen Erkrankung identifizieren. Dazu beigetragen hat zum einen der erhebliche Erkenntnisgewinn in der humangenetischen Forschung, so ist mittlerweile die genetische Ursache von mehr als 7.500 verschiedenen Erkrankungen bekannt. Hinzu kommt aber auch die breite Anwendung molekulargenetischer Untersuchungsmethoden in der klinischen Praxis. Insbesondere die Implementierung genomweiter Untersuchungen, wie z. B. der Chromosomen Microarray Analyse, der Exom- und Genomsequenzierung, hat zu einer erheblichen Steigerung der Aufklärungsrate genetisch (mit-)bedingter Erkrankungen geführt.

Prof. Dr. med. Christian Schaaf

Geschäftsführender Ärztlicher Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Heidelberg und Sprecher der Akademie Humangenetik der GfH e. V.

Foto: Julian Beekmann

Die molekulare Diagnosestellung stellt für viele Betroffene und deren Ärzteteam einen Meilenstein für das Verständnis und die weitere Versorgung der Erkrankung dar. Sie schafft Zugang zur aktuellsten Fachliteratur, ermöglicht die Kontaktaufnahme mit führenden Expertinnen und Experten, beruhigt mitunter das eigene Gewissen und verhindert im weiteren Verlauf auch unnötige, manchmal invasive und kostenintensive Untersuchungen. Zugleich ermöglicht die genetische Diagnose häufig eine bessere medizinische Versorgung mit gezielten Vorsorgeuntersuchungen oder auch therapeutischen Möglichkeiten. Für seltene Erkrankungen wurde in Deutschland mit den Zentren für Seltene Erkrankungen eine besondere Versorgungsform geschaffen, die eine multidisziplinäre Versorgung der Betroffenen in hochspezialisierten Zentren ermöglicht. Neue Initiativen wie etwa das Modellvorhaben Genomsequenzierung (SGB V, §64e) werden den Zugang zu umfassenden genetischen Untersuchungsmethoden und Testverfahren weiter verbessern.

Doch nicht nur die Identifizierung des krankheitsverursachenden Gens, sondern auch die Bestimmung der spezifischen Variante ist von enormer Bedeutung. Man spricht von „Genotyp-Phäntotyp Korrelationen“, d. h. einem Zusammenhang zwischen genetischer Veränderung und klinischer Ausprägung. Bei manchen Erkrankungen bestimmt die Art und Lokalisation des genetischen „Tippfehlers“ den Schweregrad der Erkrankung (z.B. bei dem sehr seltenen Bosch-Boonstra-Schaaf Optikusatrophie Syndrom), bei anderen Erkrankungen kann die entsprechende Veränderung der Schlüssel zur Therapie sein. Beispielsweise ist ein bestimmtes Medikament bei Mukoviszidose nur für solche Patientinnen und Patienten zugelassen, deren Erkrankung durch das Vorliegen zweier deltaF508 Mutationen verursacht wird.

Was bleibt, ist noch die Herausforderung der begrenzten therapeutischen Möglichkeiten für ultra-seltene Erkrankungen. Doch auch auf diesem Gebiet besteht Hoffnung. Der Bereich der molekularen Therapien, wie z. B. RNA-basierten Therapien oder Genthera- pien, erlebt aktuell einen regelrechten Boom und wird in den kommenden Jahren die Perspektive für betroffene Patientinnen und Patienten deutlich verbessern. So hat sich die in den USA basierte N-Lorem Foundation zum Ziel gesetzt, individuelle Therapeutika für extrem seltene, monogene Erkrankungen zu entwickeln, bei denen weltweit weniger als 30 Personen von der gleichen genetischen Veränderung betroffen sind. Und auch in Europa gibt es entsprechende Initiativen, z. B. das „1 Mutation, 1 Medicine“ Projekt, an dem in Deutschland die Universität Heidelberg, die LMU München und die Universität Tübingen beteiligt sind.

Die Voraussetzungen für eine bessere Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen sind somit gegeben und lassen durchaus Hoffnung auf neue therapeutische Ansätze und eine verbesserte Lebensqualität für die betroffenen Personen aufkommen.

Weitere Informationen finden Sie:

auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V. unter:
www.gfhev.de

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