Linda Meschke (36) leidet an der erblichen Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa. Sie sprach mit uns über ihren Weg bis zur Diagnose, über derzeitige Behandlungsmöglichkeiten und ihren Alltag mit dieser seltenen Augenerkrankung.
Linda, wann traten Ihre Augenprobleme auf und wie kam es zur Diagnose Retinitis Pigmentosa?
Ich konnte schon als Kind nicht gut sehen, trug in der Schule eine Brille. Regelmäßige Besuche beim Augenarzt waren angesagt, irgendwann entdeckte dieser Verknöcherungen auf meiner Netzhaut und meinte, dass ich damit im Dunkeln ja gar nichts sehen müsste, was ich bejahte – für mich war das ein Normalzustand. Zudem hatte ich von Anfang an auf beiden Augen einen grauen Star, also eine Eintrübung meiner Augenlinsen, was mir mit 18 auch diagnostiziert wurde. Mit 27 wurde ich deshalb in der Uniklinik Dresden operiert, da ich im Alltag schlecht zurechtkam. In den Entlassungspapieren las ich zum ersten Mal die Diagnose: Retinitis Pigmentosa. Die gab ich bei Google ein und ließ mir erklären, was es damit auf sich hat. Nach der Recherche wusste ich zwei Dinge: Ich werde erblinden. Und es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Erst zwei, drei Jahre später ließ ich einen Gentest machen, der die Diagnose bestätigte.
Ihre Netzhautzellen sterben nach und nach ab und mindern Ihre Sehfähigkeit zunehmend. Wie verändert das Ihren Alltag?
Die Veränderung von sehend zu blind verläuft in kleinen Schüben. Ich sehe die Welt inzwischen mit einem Tunnelblick. Das heißt, bei guter Beleuchtung erkenne ich Dinge in der Ferne noch sehr gut. Wobei die Betonung auf der guten Beleuchtung liegt, die selten herrscht. Auch die Nahsicht ist noch gut: Ich kann lesen und meinen Bürojob machen. Doch mein Sichtfeld ist mit 10 bis 15 Grad mittlerweile deutlich kleiner als das eines Augengesunden (180 Grad). Ich bin im Alltag deshalb oft auf Hilfe angewiesen, insbesondere dort, wo ich mich nicht auskenne oder wo viel los ist. Kaufe ich zum Beispiel ein, erschrecke ich, wenn plötzlich jemand von links oder rechts in meinen „Sichttunnel“ tritt, denn ich habe ihn nicht kommen sehen. Meine buchstäblich schwindende Aussicht lässt mich langsam das Vertrauen in mich selbst verlieren.
Die Retinitis Pigmentosa ist genetisch bedingt. Gab es in Ihrer Familie bereits vor Ihnen bestätigte Fälle oder Familienangehörige, die entsprechende Symptome gezeigt haben?
Mein Vater zeigt seit Langem zunehmende Symptome, hat das aber nie abklären lassen, sondern verdrängt.
Warum engagieren Sie sich in der Patientenselbsthilfe der Pro Retina?
Die Gewissheit, zu erblinden, stellte mein Leben auf den Kopf. Zumal der individuelle Verlauf ungewiss ist. Anfangs war ich drauf und dran, alle Ersparnisse zu nehmen und mir die Welt anzuschauen, solange ich sie noch sehen konnte. Bis zu der Erkenntnis, dass das Leben auch mit schlechter oder ohne Sicht nicht aussichtslos ist, war es für mich ein langer Weg mit so manchem tiefen Loch, in das ich fiel. Davor würde ich gerne andere Betroffene bewahren. Deshalb habe ich mich in den vergangenen zwei Jahren bei der Pro Retina zur ehrenamtlichen Beraterin für die Retinitis Pigmentosa ausbilden lassen. Zudem leite ich seit Februar 2022 eine Gruppe junger Betroffener: Wir wandern, gehen bowlen oder spielen Geocaching. Der Austausch tut enorm gut.
Was wünschen Sie sich von sehenden Menschen, die Ihnen begegnen?
Meine Erkrankung sieht man mir nicht an. Ich wünsche mir, dass Menschen, die ich um Hilfe bitte, mir zuhören und mir die Hilfe leisten, um die ich sie konkret bitte. Ich höre immer wieder mal von anderen Betroffenen, dass jemand sie sofort am Arm packt und von A nach B zerrt, als wären sie ein willenloses Wesen ohne persönliche Sphäre. Damit nimmt man dem Sehbeeinträchtigten oft nicht nur die Sicht, sondern auch das letzte bisschen Selbständigkeit. Gehen Sie lieber neben uns her, begleiten Sie uns das Stück des Wegs, um das wir baten, und fragen Sie uns im Zweifel, wie Sie uns helfen können!
PRO RETINA e. V.
Der Selbsthilfeverein PRO RETINA Deutschland e. V. ist bundesweit die größte und älteste Patientenvereinigung von und für Menschen mit Netzhauterkrankungen und deren Angehörige. PRO RETINA unterstützt Betroffene und ihre Angehörigen nach dem Leitsatz „Forschung fördern, Krankheit bewältigen, selbstbestimmt leben“, fungiert als Bindeglied zwischen Patient und Arzt und unterstützt die Forschungsförderung, damit neue Therapien entwickelt werden. Für seine Arbeit ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung von Spendern und Sponsoren angewiesen.
Weitere Informationen unter:
www.pro-retina.de