Lars Rößler war vom Cushing-Syndrom betroffen und musste einige Hürden nehmen, bevor er die richtige Diagnose erhalten hat. Warum seine Erkrankung ihn trotz der notwendigen OP ein Leben lang begleiten wird, erzählt er uns im Interview.
Lars Rößler
Cushing-Patient
Herr Rößler, Sie waren betroffen vom Cushing-Syndrom. Wie lange hat es bei Ihnen vom ersten Auftreten der Beschwerden bis zur Diagnose gedauert? Gab es Fehldiagnosen und, wenn ja, welche?
Ab einem Alter von ziemlich genau 40 Jahren zeigten sich bei mir einige Auffälligkeiten, die ich allenfalls registrierte, ohne mir große Sorgen zu machen: leichter Muskelschwund, Neigung zu Blutergüssen, Atemaussetzer im Schlaf, später dann Bluthochdruck und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Äußerliche Veränderungen vor allem im Gesicht fielen mir selbst und anderen erst sehr viel später beim Betrachten alter Fotos auf. Manches sprach ich durchaus auch mal bei meinem Hausarzt an, der dazu nachsichtig lächelnd meinte: „Ja, ja, wir werden alle älter …“ Der Ernst der Lage wurde mir und allen anderen schlagartig und recht dramatisch bewusst, als mir mit 47 infolge eines Hebetraumas ein Lendenwirbel brach und in der Klinik Osteoporose diagnostiziert wurde. Bei der Ursachensuche konnte auch der Endokrinologe nicht gleich eine mögliche Primärerkrankung feststellen, allerdings machte ich selbst mich gleich mit den erhaltenen Blutwerten an die Internetrecherche. Obwohl längst nicht alle Symptome bei mir zutrafen, hatte ich gleich ein mulmiges Gefühl, als ich auf eine mir bis dahin unbekannte Erkrankung namens Morbus Cushing stieß. Als ich meinen Hausarzt darauf ansprach, schien dieser amüsiert und meinte: „Wenn Sie Cushing hätten, würden Sie auch wie ein Cushing aussehen.“ In der Tat konnte von der meist zu beobachtenden Stammfettsucht keine Rede sein, trotzdem wiesen weitere Tests des Endokrinologen darauf hin. Eine erste Bildgebung des Kopfes war zwar unauffällig, sodass die Diagnosefindung erst einmal weiterging, aber ein zweites MRT machte dann doch ein vier Millimeter großes Hypophysenadenom sichtbar.
Was war für Sie auf dem Weg zur Diagnose am belastendsten?
Der Schock, knapp an einer Querschnittslähmung vorbeigeschrammt zu sein und gleichzeitig zu erfahren, dass man möglicherweise eine schwere Krankheit hatte, von der man nichts ahnte, war erheblich. In den Wochen danach rauchte mir zeitweise der Kopf vor lauter Recherchen und Grübeleien. Und dann zog sich die Diagnose nach dem Bruch ja über zehn Monate hin, bis wir Klarheit hatten. In dieser Zeit standen durchaus auch mal andere Möglichkeiten im Raum. So wurde mir recht mulmig, als ich in meinem Laborblatt sah, dass auch Tumormarker getestet wurden.
Was hat sich nach Diagnosestellung und Therapiebeginn verbessert? Gab es auch belastende Aspekte der Therapie für Sie?
Auf der einen Seite war ich froh, nun endlich Klarheit zu haben. Jedoch besteht die Therapie bei dieser Art Erkrankung ja nun mal aus einer nicht ungefährlichen Operation im Kopf. Leider war ich schlecht beraten, was die Wahl der Neurochirurgie betraf. Und auf den OP-Termin musste ich infolge dauernder Verschiebungen nochmals ein halbes Jahr warten. Da war ich dann mit den Nerven am Ende und wollte nur noch, dass das Ding endlich rauskam. Leider gab es gleich mehrere erhebliche Komplikationen in den Tagen und Wochen nach der OP. Fehler bei der Nachsorge bescherten mir eine schwere Nebennierenkrise, vor allem aber kam ich wenige Tage nach Entlassung mit einer schweren Meningitis in die Klinik zurück. Insofern hatte die Therapie für mich nicht nur belastende Aspekte – sie war von vorne bis hinten ein Horror!
Sie befinden sich in Remission, d.h. die Symptome der Erkrankung sind abgeschwächt bzw. zurückgedrängt. Gibt es für Sie auch in Remission belastende Aspekte, oder überwiegen die positiven Faktoren?
In den Veröffentlichungen, die es zu dieser Krankheit gibt, wie auch in den Erläuterungen der meisten Ärzte wird oft der Eindruck erweckt, mit der Operation sei nach jahrelangem Leiden dann alles gut. In meinem Fall waren die Symptome ja nicht sehr belastend, deswegen habe ich den Einschnitt infolge des Bruchs und dann infolge der Operation natürlich als regelrechten Absturz erlebt. Zwar hatte die OP den erwünschten Erfolg: Mein Blutdruck war sofort danach optimal, die Knochendichte verbesserte sich allmählich, Atemaussetzer im Schlaf gab es auch keine mehr. Aber alleine die hormonelle Umstellung war eine Tortur – acht Monate höllische Gelenkschmerzen, morgendliche Übelkeit, anfallartige Schwächezustände, um nur einige Beispiele zu nennen. Und da meine Nebennieren, die viele Jahre viel zu viel Cortisol produziert haben, nach der Operation zwei Jahre so gut wie gar nicht und heute, nach fünfeinhalb Jahren, nur unzureichend arbeiten, muss ich weiterhin Hydrocortison einnehmen, mein Stresslevel im Auge behalten und bin insgesamt sehr viel weniger belastbar geworden. Die Macht der Hormone habe ich in den letzten Jahren jedenfalls zur Genüge kennengelernt – so haben auch meine kognitiven Fähigkeiten (z.B. Kurzzeitgedächtnis und Multitasking) deutlich nachgelassen. Zur Operation gab es trotzdem keine Alternative, nur wüsste ich heute besser als damals, wohin ich mich wenden müsste.