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Krankheitsbilder

Meine Realität ist hier und jetzt

Fotos: @carolin.coralinart

Carolin hat spinale Muskelatrophie (SMA). Seit ihrem ersten Lebensjahr hat das sowohl ihr Leben als auch das ihrer Familie komplett verändert. Im Interview gibt sie uns einen Einblick in ihren Alltag, der eigentlich ziemlich normal ist. 

Sie sind von der seltenen Erkrankung SMA betroffen. Wann wurde die Erkrankung bei Ihnen diagnostiziert?

Meine Eltern stellten erste Auffälligkeiten fest, als ich mit ca. sechs Monaten nicht anfing, zu krabbeln oder mich selbstständig zu drehen. Damals hieß es jedoch noch, ich sei „einfach etwas faul“, und so begann für meine Eltern eine regelrechte Odyssee. SMA war zu diesem Zeitpunkt noch kaum erforscht, konnte erst seit wenigen Jahren dem richtigen Chromosom zugeordnet werden. Bei mir wurden sehr viele Tests gemacht und anfangs wussten die Ärzt*innen wohl nicht so genau, wonach sie überhaupt suchen. Für meine Familie bedeutete das monatelange Ungewissheit. Mittels einer Muskelbiopsie konnte dann schließlich die richtige Diagnose gestellt werden. Da war ich ein Jahr alt. Heute geht das viel einfacher. Es reicht eine kleine Blutentnahme und schon weiß man, was Sache ist. 


Wie hat sich die Erkrankung auf Ihr Leben ausgewirkt?

Natürlich wirkt sich die SMA sehr stark auf mein Leben aus, da ich in jeder Lebenssituation auf die Unterstützung von anderen angewiesen bin. Ich sitze im Rollstuhl, kann mittlerweile nicht mal mehr einen Arm heben und brauche unterwegs beispielsweise immer eine Begleitung. 

Gleichzeitig ist Selbstbestimmung ein wichtiges Thema für mich und ich versuche, mein Leben so unabhängig wie nur möglich zu gestalten. Oft ist es aber auch gar nicht meine Behinderung, die mich davon abhält, sondern vielmehr die deutsche Bürokratie oder fehlende Inklusion. 

Ich würde sagen, meine SMA hat mich darauf vorbereitet, dass man im Leben nicht immer das bekommt, was man gerade möchte. Meine Erkrankung hat mir beigebracht, mich mit Gegebenheiten zu arrangieren, auf die ich keinen Einfluss habe, und dennoch nach Möglichkeiten zu suchen, wie ich meine Ziele erreichen kann. Wer weiß, vielleicht hätte ich ohne diese Diagnose im Ausland studiert oder eine Weltreise gemacht. Alles Dinge, die sich als Rollstuhlfahrerin doch etwas schwieriger gestalten. Aber egal ob mit oder ohne Behinderung, man kann das Leben nie vorhersagen. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne SMA wäre. Allerdings interessiert es mich auch nicht (mehr). Meine Realität ist hier und jetzt. 

Sie leben nun bereits seit Jahren mit der Erkrankung. Wie sieht Ihr Alltag derzeit aus, und fühlen Sie sich medizinisch gut versorgt?

Tatsächlich würde ich meinen Alltag als ziemlich normal beschreiben. Ich arbeite im Homeoffice und mache in meiner Freizeit all die Dinge, die für junge Frauen selbstverständlich dazugehören: Reisen, Konzerte besuchen, Freund*innen treffen oder shoppen gehen. Momentan wohne ich noch bei meinen Eltern, aber Ende nächsten Jahres möchte ich in eine eigene Wohnung ziehen. 

Was die medizinische Versorgung betrifft, bin ich zufrieden und fühle mich in meiner lokalen Klinik stets gut aufgehoben. Dort bin ich bereits seit meiner Kindheit Patientin, und weil mich das Personal so gut kennt, kann ich nun auch als Erwachsene noch dort behandelt werden. Allerdings lebe ich in einer ländlichen Gegend und deswegen mangelt es leider an Spezialist*innen, die bei einer seltenen Erkrankung weiterhelfen können. Die meisten Neurolog*innen verweisen einen nur an große Unikliniken, die meistens Hunderte von Kilometern entfernt sind. Wenn ich also beispielsweise ins Schlaflabor muss oder eine neue Therapie beginne, ist das mit viel Aufwand verbunden. Ich würde mir wünschen, dass die Versorgung auf dem Land genauso gut wäre, wie in der Stadt.

Welche Rolle spielt für Sie die Vernetzung mit anderen Betroffenen?

Ich empfinde den Austausch mit anderen Betroffenen als sehr bereichernd! Mit meinen Freund*innen, die ebenfalls SMA haben, kann ich über Dinge sprechen, die sonst niemand versteht. Immerhin machen sie die gleichen Erfahrungen, werden mit den gleichen Problemen konfrontiert und können sich deswegen besser in meine Gefühlswelt hineinversetzen. Außerdem helfen wir uns häufig gegenseitig, wenn es um medizinische Themen, Hilfsmittel, Rechtliches etc. geht.   

Sie möchten mehr über Carolin erfahren?

Verfolgen Sie ihren inspirierenden Weg auf Instagram @carolin.coralinart.

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