Prof. Dr. med. Burkhard Tümmler von der Medizinischen Hochschule Hannover spezialisierte sich schon in den 80er Jahren auf das Thema Mukoviszidose, die Cystische Fibrose (CF), als sich noch kaum jemand in Öffentlichkeit und Forschung für die seltene Erkrankung interessierte. Ein Gespräch mit dem Experten über Fortschritte bei modernen Therapien und erhöhte Lebenserwartungen für Patienten.
Prof. Dr. med. Burkhard Tümmler
Medizinische Hochschule Hannover
Warum sind die rasche CF-Diagnose und eine frühzeitige Therapie so wichtig und welche Faktoren beeinflussen den Verlauf einer Mukoviszidose?
Die Mukoviszidose ist als Stoffwechselerkrankung angeboren. Bei ihr kommt es zu einer Mutation des CFTR-Gens auf dem Chromosom Nummer 7. Das CFTR-Gen kodiert für einen Kanal in der Zellmembran. Durch ihn werden Chlorid-Ionen transportiert. Dieser Kanal ist bei den Patienten defekt oder nicht vorhanden. In der Folge stört das den Transport von Salz und Wasser in den Zellen und bei den Betroffenen bildet sich ein zäher Schleim im Körper. Seit der Einführung des Neugeborenen-Screenings ist ein Test auf die Erkrankung früher möglich. Ärzte können dann eher mit der notwendigen Therapie beginnen. Diese Krankheit manifestiert sich in den ersten Lebenswochen des Säuglings. Deshalb ist hier Prävention angesagt. Eine frühere Therapie verbessert die körperliche Entwicklung der Kinder nachweislich.
Welche Therapiemöglichkeiten stehen Patienten heute zur Verfügung?
Generell muss man sagen: Die Krankheit ist nicht heilbar. Setzt man mit der Therapie jedoch frühzeitig an, kann man ihren Verlauf positiv beeinflussen. Sie ist zurzeit die zeitaufwändigste Therapie, die wir in Deutschland haben, und besteht aus mehreren Bausteinen. Die Behandlung ist auch deshalb enorm komplex, weil sie viele Organe betrifft. Im frühen Kindesalter sind vor allem Verdauung und Bauchspeicheldrüse betroffen. Es kann sogar zu einem Darmverschluss unter der Geburt kommen. Später sind dann in erster Linie Atemwege, Lunge, Leber und Gallenwege, aber selbst die Geschlechtsorgane erkrankt.
Es kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, mit denen man die unterschiedlichen Symptome in den jeweiligen Organen bekämpft. Schleimlösende Stoffe sorgen dafür, dass der Patient den Schleim besser abhusten kann. Die Atemwege sind häufig mit Bakterien, Pilzen oder Viren infiziert. Mit Antibiotika lassen sich die Bakterienlast und damit die Entzündung in der Lunge reduzieren. Da den Patienten Verdauungsenzyme fehlen, werden diese durch Medikamente ersetzt. Darüber hinaus nimmt der Patient Vitamine. Manchmal ist auch eine künstliche Ernährung vonnöten, wenn er unter Mangelernährung und Untergewicht leidet. Es kann also im Extremfall sein, dass ein Patient täglich bis zu 50 Tabletten zu sich nehmen muss.
Wichtig ist außerdem Physiotherapie: Der Betroffene lernt bestimmte Atemtechniken, mit denen sich der zähe Schleim lösen lässt. Ganz wichtig ist Sport, idealerweise dreimal in der Woche. Zu empfehlen sind Ausdauersportarten wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren. Bei der Ernährungstherapie achtet der Patient nach einer Schulung durch einen Experten darauf, sich ausgewogen und kalorienreich zu ernähren. Ist der Patient extrem schwer erkrankt, gibt es als ultima ratio noch die Möglichkeit einer Lungentransplantation.
Seit ein paar Jahren gibt es Medikamente, die die Ursachen und nicht nur die Symptome bekämpfen. Welche sind das?
Das sind die so genannte CFTR-Modulatoren. Sie teilen sich auf in die Potentiatoren, mit denen sich die CFTR Kanalöffnung in der Zelle verbessern lässt. Die Korrektoren sorgen dafür, die Menge an CFTR Protein zu erhöhen, das zur Zellmembran transportiert wird. Diese Medikamente, die auch gleichzeitig eingesetzt werden, können die Lungenfunktion, die bei Mukoviszidose chronisch abnimmt, verbessern. Natürlich ist auf Nebenwirkungen zu achten. Diese Medikamente sind nur bei bestimmten Mutationen des CFTR-Gens wirksam. Insgesamt gibt es rund 2000 Mutationen. Aber bisher haben wir mit diesen Medikamenten gute Erfahrungen gemacht
Wie hat sich dadurch der Therapiealltag verändert?
Man kann diese ursächliche Therapie schon als Meilenstein betrachten, der neue Horizonte für Betroffene eröffnet.
Welche Perspektiven haben CF-Patienten heute?
Der entscheidende Faktor ist die Lebenserwartung. Die positive Nachricht ist, dass die Mukoviszidose nicht mehr nur eine Kinderkrankheit ist. Wegen der medizinischen Fortschritte erreichen heute doppelt so viele Patienten das Erwachsenenalter als noch vor 20 Jahren. In den frühen 80er Jahren lag die Lebenserwartung im Schnitt bei neun Jahren. Heute werden Patienten durchschnittlich 40 bis 50 Jahre alt. Wegen der neuen Medikamente werden sich diese Zahlen in Zukunft weiter verbessern.
Sie forschen als einer der Pioniere schon seit den 80er Jahren auf diesem Gebiet und haben viel Kontakt zu Patienten und Angehörigen. Wie erleben Sie die im täglichen Alltag?
Die Krankheit scheint sie in vielen Fällen zu vereinen. Interessanterweise sind auch junge Patienten in der Schule besser als nicht erkrankte Schüler. Problematisch wird jedoch das Alter ab der Pubertät zwischen 13 und 25 Jahren. Der Freundeskreis nimmt da schlechten Einfluss. Gerade bei Mädchen ist dann zum Beispiel das Thema Beauty plötzlich wichtiger als der Sport, der aber für die Patienten so hilfreich ist.
Welchen Herausforderungen stehen Patienten trotz der Erfolge immer noch gegenüber?
Ein Thema sind natürlich die Folgeerkrankungen. Im Laufe der Jahre können die chronischen bakteriellen Entzündungen das Gewebe in der Lunge zerstören. Langfristig nimmt bei allen Patienten die Lungenfunktion ab. Sie leiden unter Atemnot, sind eventuell auf künstliche Sauerstoffzufuhr oder final eine neue Lunge angewiesen.
Weitere Folgen sind wegen der erkrankten Bauchspeicheldrüse auch ein Diabetes vom Typ 3. Gestört sein kann außerdem der Knochenstoffwechsel. Die Patienten verfügen über weniger Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Sie können weniger Sport treiben, wenn sich die Lungenfunktion verschlechtert. All das sind Faktoren, die eine Osteoporose, also den Knochenschwund, fördern. Negative Auswirkungen gibt es zudem auf Fruchtbarkeit, Leber, Gelenke und die Galle.
Gut ist, dass es inzwischen eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Physiotherapeuten, Ernährungsberatern und Pflegern gibt. Auch zahlreiche Zentren, die auf die Erkrankung spezialisiert sind, können Betroffene gezielter betreuen.