Interview mit Prof. Dr. med. Lars Pape über die seltene Speichererkrankung.
Prof. Dr. med. Lars Pape
Leitender Arzt KfH Nierenzentrum für Kinder und Jugendliche an der MHH
Eine Cystinose ist eine seltene Nierenerkrankung. Können Sie bitte kurz erläutern, was im Körper der Betroffenen passiert?
Die Cystinose ist eine Speichererkrankung, die auf einer Transportstörung des Cystins basiert. Dies hat zur Folge, dass das Cystin in den Zellen verschiedener Organe des Körpers gespeichert wird und Gewebe nicht mehr normal funktionieren können. Besonders betroffen sind hierbei Hornhaut, Bindehaut, Leber, Milz, Lymphknoten und Knochenmark. Während die Cystinspeicherung in den genannten Organen anfangs meist keine klinischen Symptome verursacht, kommt es in der Niere schon nach kurzer Zeit zu schweren Funktionsstörungen. Dies führt frühzeitig dazu, dass Flüssigkeit und verschiedenste Mineralstoffe im Körper verloren gehen, mittelfristig zur Dialyse und langfristig trifft es auch viele andere Organe sowie Muskeln und das Nervensystem – Dysfunktionen stellen sich im gesamten Körper ein.
Die Symptome können vielfältig sein. Welche sind die häufigsten einer Cystinose und wie ist deren Verlauf?
Bei kleinen Kindern macht sich die Cystinose durch Durst, übermäßiges Urinieren und Wachstumsrückstand sowie fehlende Gewichtszunahme bemerkbar.
Ist die Diagnosestellung ein Problem oder erkennen Kinderärzte die Erkrankung frühzeitig?
Vor einigen Jahren war das noch deutlich schwerer und die Diagnosestellung zog sich oft jahrelang hin. Die Krankheit ist selten und eine Gedeihstörung ein häufiges Problem bei kleinen Kindern, wodurch Ärzte häufig erst sehr spät auf eine Cystinose kamen. Erfreulicherweise ist hier, durch eine vermehrte Aufklärung in den letzten Jahren, eine deutliche Besserung eingetreten und die meisten Kinder werden innerhalb der ersten zwei Lebensjahre diagnostiziert.
Das ist doch ein sehr positiver Trend. Wie wird dann die Diagnose gestellt, wenn ein Anfangsverdacht besteht?
Die Diagnose kann über zwei Wege gestellt werden. Der erste ist eine Blutuntersuchung, bei der man schauen kann, ob in den weißen Blutkörperchen zu viel Cystin vorhanden ist. Der zweite Weg ist eine genetische Untersuchung, die meist nach der Blutuntersuchung gemacht wird.
Leider ist ja noch keine ursächliche Therapie dieser genetischen Erkrankung möglich. Wo setzt die Therapie an?
Die Erkrankung kann durch eine cystinentspeichernde Therapie behandelt werden. Die Gabe von Cysteamin unterstützt die Ausschleusung von Cystin aus den Zellen, wodurch sich die intrazelluläre Cystin-Konzentration verringert. Dies führt zu einem längeren Erhalt der Nierenfunktion und zu einem verbesserten Körperwachstum. Augentropfen, die Cysteamin enthalten, dienen der Behandlung der Cystinablagerungen in der Hornhaut. Zudem werden Vitamin D und Phosphat verabreicht, um der Rachitis entgegenzuwirken. Bei Bedarf werden auch andere Elektrolytstörungen ausgeglichen.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Glauben Sie, dass es in naher Zukunft eine ursächliche Behandlung der Cystinose geben wird?
Es gibt Firmen, die an Gentherapien forschen, bei denen Vorversuche teilweise Erfolge gezeigt haben. Ob sich dies in der Klinik etablieren kann, muss man sehen – schön wäre es natürlich.
Was ist Ihrer Meinung nach besonders wichtig für Betroffene und deren Familien, wenn ein Kind an Cystinose leidet?
Entscheidend ist, dass sie möglichst schnell zu jemandem Kontakt bekommen, der sich mit der Erkrankung auskennt, sodass eine frühzeitige Behandlung begonnen wird. Zudem ist wichtig, dass es eben nicht nur der Nierenarzt ist, der als Experte aufgesucht wird, sondern alle Symptome erkannt und behandelt werden. Ratsam ist hier eine dauerhafte Betreuung in speziellen Zentren. Nicht zu vergessen ist die enorme Belastung, die eine solche Erkrankung mit sich bringt. Eine psychologische Versorgung ist grundlegend, um mit den teilweise sehr schwierigen Phasen, die eine Cystinose mit sich bringen kann, umgehen zu können.